Süddeutsche Zeitung

USA:Wollte Trump den Putsch?

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Trump vor Gericht? Nach den neuen, belastenden Aussagen im Untersuchungsausschuss zu den Ausschreitungen am 6. Januar 2021 ist das wahrscheinlicher geworden.

Von Nicolas Freund

Es sind einige Bilder und Aussagen aus den gerade laufenden Anhörungen zum Sturm auf das amerikanische Kapitol am 6. Januar 2021, die die Vereinigten Staaten noch lange heimsuchen werden: Der damalige Präsident Donald Trump, der angeblich dem Fahrer seiner Limousine ins Lenkrad gegriffen haben soll, weil der sich geweigert hatte, ihn zum Kapitol zu fahren. Dort nahmen gerade die Ausschreitungen ihren Lauf.

Oder Cassidy Hutchinson, die Assistentin des damaligen Stabschefs im Weißen Haus, wie sie nach einem Wutanfall Trumps hilft, Essensreste und Ketchup von den Wänden zu wischen. Nachdem der ehemalige Justizminister William Barr in einem Interview gesagt hatte, es gäbe keine Beweise für Wahlbetrug, war der amerikanische Präsident so wütend geworden, dass er sein Mittagessen durch den Raum geworfen hatte.

Hutchinson, die gerade bei den Anhörungen als "Überraschungszeugin" aufgetreten ist, könnte mit ihren Aussagen und Schilderungen der Vorgänge im Weißen Haus Anfang Januar 2021 tatsächlich die ganze Untersuchung gedreht haben - mit juristischen Konsequenzen für Donald Trump. So sieht das zumindest eine Reihe von Experten, wie die New York Times berichtet.

Die ganze Untersuchung zu dem Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 hat natürlich das Ziel, die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen, es wurden auch bereits Hunderte Anklagen erhoben. Experten waren sich bisher allerdings uneins, ob die Beweise auch für eine Anklage Donald Trumps reichen würden - mindestens wegen versuchter Behinderung des Wahlvorgangs - oder ob sich der ehemalige US-Präsident immer damit würde herausreden können, er habe ja nur einen vermeintlichen Wahlbetrug verhindern wollen und deshalb stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

"Bis jetzt hatten wir keine Beweise, dass er über die Gewalt Bescheid wusste"

"Es gibt noch viel Unsicherheit bei der Frage nach kriminellen Absichten, wenn es um den Präsidenten geht", wird Alan Rozenshtein, Jura-Professor an der University of Minnesota, in der New York Times zitiert, "aber was gerade passiert ist, hat das zu erwartende Ergebnis für mich geändert". Rozenshtein hält es nach diesen Aussagen für wahrscheinlich, dass Trump nun ebenfalls angeklagt wird. Und zwar nicht nur wegen Behinderung des Wahlvorgangs. Möglicherweise auch dafür, die Ausschreitung mit angezettelt und einen gewaltsamen Marsch auf das Kapitol nicht nur gutgeheißen zu haben, sondern weil er an diesem sogar als Anführer teilnehmen wollte.

Kurz gesagt: Die nun vorgelegten Aussagen können so interpretiert werden, dass Trump nicht weniger als einen Putsch geplant hatte.

So habe Trump gewusst, dass seine Anhänger für einen Kampf gerüstet waren, dass sie Schutzwesten, Pfeffersprays und sogar Sturmgewehre bei sich trugen. Um in den Bereich zu gelangen, in dem Trump seine Rede halten wollte, hätten viele die Waffen abgeben müssen, was Trump angeblich zu verhindern versuchte. "Nach der Rally können sie direkt zum Kapitol marschieren", soll er gesagt haben. Danach soll sich das Gerangel um das Lenkrad im Auto des Präsidenten abgespielt haben, weil der Secret Service eine Fahrt zum Kapitol als zu gefährlich ansah. Es ging stattdessen zurück ins Weiße Haus, obwohl ursprünglich tatsächlich eine Route zum Kapitol geplant gewesen sein soll.

"Bis jetzt hatten wir keine Beweise, dass er über die Gewalt Bescheid wusste", wird der Anwalt Daniel Goldman in der New York Times zitiert. Goldman war bereits am ersten Impeachment gegen Trump maßgeblich beteiligt. "Die Aussage macht sehr deutlich, dass er sich der Bedrohung nicht nur vollkommen bewusst war, er wollte, dass Bewaffnete auf das Kapitol marschieren. Er war sogar gewillt, sie anzuführen."

Diese neuen Erkenntnisse könnten auch die bisherige Verteidigung aufweichen, Trump habe ja nur gegen möglichen Wahlbetrug vorgehen wollen. Die US-Zeitung führt eine Reihe von Experten an, die eindeutig der Meinung sind oder mindestens andeuten, Trump könne nun sehr wohl für die Gewalt am 6. Januar verantwortlich gemacht werden. Ob der Untersuchungsausschuss weiter in diese Richtung ermittelt und ob tatsächlich Anklage erhoben wird, ist derzeit aber noch unklar.

Die Aussagen werden allerdings auch den Druck auf die Republikaner erhöhen, ob sie wirklich weiter an Trump als zentraler Person in der Partei und möglichem Präsidentschaftskandidaten festhalten wollen. Nach den Schilderungen Hutchinsons erscheint es jedenfalls rückblickend als großes Glück, dass von Donald Trump in diesen Tagen nur Ketchup verschüttet wurde.

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