Süddeutsche Zeitung

USA:Die Frau an Bidens Seite

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Die Journalistin Marie-Astrid Langer hat ihre Beobachtungen zu einem klugen Portrtät über Vizepräsidentin Kamala Harris verarbeitet.

Von Viola Schenz

Über Monate war sie Amerikas Polit-Star und Medienliebling. Als Kamala Harris bei der Vereidigung als Vizepräsidentin am 20. Januar 2021, ein halbes Jahr nach ihrer Nominierung, mit einem knallblauen Washingtoner Himmel um die Wette strahlte, lasteten enorme Erwartungen und Hoffnungen auf der 56-Jährigen. Manche munkelten, sie würde dem 78-jährigen Joe Biden die Show stehlen. Längst hat sich die Begeisterung gelegt, in Washington herrscht nüchterner Politikalltag. Um Kamala Harris ist es ruhig geworden, man sieht sie ab und zu bei Auftritten ihres Chefs, meist als stumme Sekundantin. Biden hat ihr eher unangenehme Aufgaben zugeschoben, allen voran die Flüchtlingskrise an der Grenze zu Mexiko.

Insofern ist jetzt, ein knappes Jahr nach der Wahl und bei klarerer Sicht, ein guter Zeitpunkt für die Veröffentlichung eines Harris-Porträts. Und Marie-Astrid Langer, USA-Korrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung, hat es an einem passenden Ort verfasst. Sie berichtet aus San Francisco und damit weit genug weg vom Washingtoner Gewusel und nahe genug an Harris' einstigen Wirkungsstätten; schließlich hat diese einen Großteil ihres Lebens und ihrer Karriere in Kalifornien zugebracht.

"So ungewöhnlich, wie es nur für Amerika typisch sein kann"

Langer zeichnet den Aufstieg der Juristin und Politikerin chronologisch nach, von der Bezirksstaatsanwältin von San Francisco zur Justizministerin von Kalifornien (2011) und US-Senatorin der Demokratischen Partei (2017) bis zum jetzigen Amt. Die Journalistin ordnet die Dinge geschickt ein ("In gewisser Weise ist Kamala Harris' Familie so ungewöhnlich, wie es nur für Amerika typisch sein kann"), sie ist lang genug im Land, aber auch noch nicht zu lang, um richtig einschätzen zu können, wie viel Vorwissen bei nicht-amerikanischen Lesern voraussetzbar und welcher Zusammenhang erklärungsbedürftig ist ("Ob man aus Berkeley oder Oakland kommt, ist, als ob man aus Berlin Marzahn oder Zehlendorf stammt"). Langer hat Harris' Schule und Elternhaus abgeklappert und mit Wegbegleitern wie ihrem einstigen Wahlkampfmanager Brian Brokaw gesprochen. Bei all dem beweist sie ein feines Gespür für die Probleme, denen eine erfolgreiche, lange unverheiratete, kinderlose, dunkelhäutige "Karrierefrau" auch im 21. Jahrhundert noch begegnen muss.

Es ist das dritte deutschsprachige Porträt. Kurz nach Amtsantritt waren bereits die Übersetzungen einer Biografie sowie Harris' politischen Manifests erschienen, die jedoch nur in Teilen überzeugten. Beide sind hier Grundlage, neben etlichen Zeitungsartikeln, Podcasts, TV-Interviews, Universitäts-Websites und auch Posts in sozialen Medien. Langer macht daraus und aus ihrem eigenen Wissens- und Beobachtungsschatz eine lesenswerte Darstellung, die so gescheit analysiert wie kurzweilig geschrieben ist.

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Quelle:
SZ vom 25.10.2021
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