Süddeutsche Zeitung

USA:Der Richter und die zweite Beschuldigung 

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Brett Kavanaugh, der Donald Trumps Kandidat für das Oberste Gericht ist, gerät vor Anhörung im Senat in Washington in Not. Es gibt neue Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen ihn.

Von Hubert Wetzel, Washington

Eine zweite Frau hat dem Richterkandidaten Brett Kavanaugh vorgeworfen, sie sexuell belästigt zu haben. Wie die Zeitschrift The New Yorker am Sonntag berichtete, soll sich der Vorfall Anfang der Achtzigerjahre in einem Studentenwohnheim der Universität Yale zugetragen haben. Kavanaugh studierte damals dort im ersten Jahr Jura. Seine damalige Mitstudentin Deborah Ramirez erzählte dem New Yorker, Kavanaugh habe sich bei einer Party entblößt. Kavanaugh bestritt den Vorwurf. US-Präsident Donald Trump, der Kavanaugh als neuen Verfassungsrichter nominiert hatte, twitterte am Montag, er stehe zu seinem Kandidaten.

Ramirez ist bereits die zweite Frau, die Kavanaugh eines sexuellen Übergriffs bezichtigt. Am Donnerstag will der Justizausschuss des US-Senats die Professorin Christine Blasey Ford anhören, die ähnliche Anschuldigungen erhoben hat. Ihren Angaben nach hat Kavanaugh sie, als beide noch Schüler waren, bei einer Party bedrängt, sich auf sie gelegt, ihr den Mund zugehalten und versucht, sie zu vergewaltigen. Auch dies bestreitet Kavanaugh.

In einem Brief an den Justizausschuss bezeichnet er die Vorwürfe als "koordinierten Versuch, meinen guten Namen zu zerstören."

Bisher steht in beiden Fällen Aussage gegen Aussage. Zwar meldeten sich in den vergangenen Tagen in den USA zahlreiche Frauen zu Wort, die berichteten, sie hätten als Schülerinnen oder Studentinnen ähnliche Dinge erlebt. Was die konkreten Vorwürfe gegen Kavanaugh angeht, gibt es aber keine Augenzeugen. Zudem sind wichtige Einzelheiten der Vorfälle unklar. So kann sich zum Beispiel Blasey Ford nicht mehr genau erinnern, wann und wo jene Party stattgefunden hat. Sie sei damals 15, Kavanaugh 17 Jahre alt gewesen, sagte sie. Das würde auf das Jahr 1982 hindeuten. Kavaugh sagt hingegen, er könne mit Kalendern aus jener Zeit belegen, dass er nicht auf entsprechenden Partys gewesen sei.

Ramirez gibt das Studienjahr 1983/84 als Tatzeitpunkt an, den Tatort auf dem Campus von Yale kann sie detailliert benennen. An einem Abend sei bei einer Party ein Trinkspiel veranstaltet worden. Sie sei rasch sehr betrunken gewesen, könne sich aber noch erinnern, dass Kavanaugh sich entblößt und ihr seinen Penis hingestreckt habe. Sie habe ihn von sich weggeschoben und gesehen, wie sich Kavanaugh die Hose hochgezogen habe. Der New Yorker zitiert einige Yale-Studenten, die sagen, sie hätten damals von dem Vorfall gehört. Andere Kommilitonen sagten jedoch, sie hätten keinerlei Kenntnis davon.

Die Republikaner halten im Senat 51 der 100 Sitze, sie hätten also theoretisch eine Mehrheit, um Kavanaugh trotz der Vorwürfe als neuen Richter am Supreme Court zu bestätigen. Sie müssen allerdings abwägen: In sechs Wochen findet die Kongresswahl statt, und den Republikanern droht bereits eine Niederlage, weil ihnen gebildete Mittelklassewählerinnen davonlaufen. Die glaubhaften Anschuldigungen von zwei Frauen zu ignorieren und Kavanaugh zu bestätigen, könnte zu einem Wahldesaster führen. Andererseits würde es die konservative republikanische Parteibasis in Rage versetzen, würden die Senatoren Kavanaugh fallen lassen. Diese Wähler halten auch deswegen zu Trump, weil er konservative Richter wie Kavanaugh an die Bundesgerichte berufen hat. Sie könnten sich rächen, indem sie nicht zur Wahl gehen.

Derzeit gibt es mindestens vier republikanische Wackelkandidaten im Senat: Die Senatorinnen Susan Collins aus Maine und Lisa Murkowski aus Alaska setzen sich oft für Frauenrechte ein und stehen ideologisch nicht so weit rechts wie die Parteibasis. Der Druck, für Kavanaugh zu stimmen, ist für sie nicht so hoch. Und die Senatoren Jeff Flake aus Arizona und Bob Corker aus Tennessee gehen in diesem Jahr in den Ruhestand, zudem sind sie scharfe Kritiker Trumps. Sie schulden dem Präsidenten also nichts.

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Quelle:
SZ vom 25.09.2018
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