Süddeutsche Zeitung

USA:Amerika kommt nicht zur Ruhe

Lesezeit: 2 min

Die gewalttätigen Proteste gehen weiter, einer der Brennpunkte ist Washington. Präsident Donald Trump heizt die Stimmung mit mehreren Tweets an.

Von Hubert Wetzel, Washington

Die gewalttätigen Proteste, die seit einer Woche die USA erschüttern, reißen nicht ab. In der Nacht zu Montag kam es in zahlreichen Städten erneut zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizisten sowie zu Plünderungen. Vielerorts wurden Fahrzeuge und Gebäude in Brand gesetzt. In etlichen Bundesstaaten ist inzwischen die Nationalgarde im Einsatz, um der Polizei zu helfen. Viele Städte und Gemeinden - darunter die Hauptstadt Washington - haben nächtliche Ausgangssperren verhängt.

Nach einer Zählung der Nachrichtenagentur Associated Press wurden am Wochenende im gesamten Land mehr als 4000 Demonstranten festgenommen. Inzwischen werden den Protesten mindestens sechs Todesopfer zugerechnet.

Die Unruhen wurden durch den gewaltsamen Tod des Schwarzen George Floyd bei einem Polizeieinsatz am vergangenen Montag in Minneapolis ausgelöst. Floyd starb, nachdem ihm ein weißer Polizist mehrere Minuten lang sein Knie in den Nacken gepresst hatte. Seitdem entlädt sich die Wut vieler Afroamerikaner über die rassistische und oft tödliche Polizeibrutalität in landesweiten Demonstrationen. Diese sind tagsüber oft friedlich, schlagen aber bei Nacht zunehmend in Gewalt- und Plünderungsorgien um.

Einer der Brennpunkte der Proteste war in der Nacht zu Montag Washington. In der gesamten Innenstadt, selbst im feinen Stadtteil Georgetown, wurden Autos und Geschäfte zerstört und geplündert. Wie schon in den Tagen zuvor marschierten die Demonstranten in Washington auch wieder im Lafayette-Park auf, einer kleinen Grünanlage gegenüber dem Weißen Haus. Polizisten und der Secret Service sicherten das Gebäude, in dem Präsident Donald Trump arbeitet und wohnt. Am vergangenen Freitag war die Lage vor dem Weißen Haus nach einem Bericht der New York Times so brenzlig, dass der Secret Service Trump für kurze Zeit zur Sicherheit in den Bunker des Gebäudes brachte.

Die US-Regierung macht für die Ausschreitungen vor allem linke Gruppen verantwortlich. Trump kündigte am Wochenende per Tweet an, dass er die "Antifaschistische Aktion" (Antifa), ein loses Bündnis linker bis linksextremer Gruppen, offiziell zur "Terrororganisation" erklären werde. Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Derzeit können nur gewalttätige ausländische Gruppen mit dem Etikett "Terrororganisation" versehen werden. Dafür ist das Außenministerium zuständig. Allerdings könnte das Justizministerium Randalierer als "einheimische Terroristen" anklagen. Damit drohte am Sonntag Minister William Barr: "Die Gewalt, die von der Antifa und ähnlichen Gruppen bei den Unruhen angefacht und verübt wird, ist einheimischer Terrorismus und wird entsprechend behandelt werden." Trump war am Samstag in Florida, um sich den Start einer Rakete anzusehen, die zwei US-Astronauten zur Internationalen Raumstation brachte. Bei dieser Gelegenheit sagte er, dass er die Gewalt nicht länger hinnehmen werde. Den ganzen Sonntag über ließ sich der Präsident dann nicht blicken - allerdings war er auf Twitter aktiv. Er beschimpfte die Demonstranten, die Demokraten, deren Präsidentschaftskandidaten Joe Biden sowie die Medien und forderte die Gouverneure auf, die Nationalgarde einzusetzen. Den Demonstranten vor dem Weißen Haus drohte er damit, dass sie es mit "bösartigen Hunden" und "ganz besonderen Waffen" zu tun bekämen, sollten sie den Zaun überwinden. Am Montag warf er in einer Videokonferenz den Gouverneuren der Bundesstaaten vor, zu zurückhaltend auf die "linksradikale" Gewalt zu reagieren. "Die meisten von Ihnen sind schwach", sagte Trump.

"Sie müssen Leute festnehmen." Berichten zufolge gibt es unter Trumps Beratern derzeit einen Streit, ob der Präsident sich in einer Ansprache an die Nation wenden sollte, um die Lage zu beruhigen. Umstritten ist aber offenbar, ob dem Präsidenten das gelingen würde - und ob Trump die Krawalle im Wahlkampf eher helfen oder schaden. Bei Twitter findet man einen Hinweis darauf, wie der Präsident selbst die Sache sieht: "Recht & Ordnung", schrieb er am Sonntag. Am Montag legte er nach: "3. November", twitterte Trump. Der 3. November ist der Wahltag in den USA.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4923412
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.06.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.