Süddeutsche Zeitung

US-Sanktionen:Hartes symbolisches Verbot

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Strikt untersagt die EU europäischen Firmen, sich den Strafmaßnahmen zu unterwerfen, die Washington gegen Iran verhängt hat. Doch Brüssels Vorschriften lassen sich umgehen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Sie seien entschlossen, europäische Firmen, "die in Iran rechtmäßig und im Einklang mit EU-Recht und Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrates tätig sind, zu schützen", das haben die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens am Montag mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini bekräftigt. Das klingt nach wirtschaftlicher Hilfe und freundlicher Beratung. In EU-Verordnung 96/2271 liest sich das allerdings etwas resoluter. Mit Inkrafttreten in aktualisierter Form an diesem Dienstag um sechs Uhr morgens verbietet diese Verordnung Bürgern und Unternehmen in der EU ganz ausdrücklich, sich den Iran-Sanktionen der USA zu unterwerfen. Nur in Ausnahmefällen und nur mit Genehmigung der EU-Kommission dürfen sie sich an die US-Vorschriften halten.

Im Kern geht es da um einen Konflikt, der deutlich älter ist als die derzeitigen Streitigkeiten mit US-Präsident Donald Trump. Schon lange wendet sich die EU gegen den Anspruch der USA, dem eigenen Recht global Geltung zu verschaffen. Bei den "extraterritorialen" Sanktionen geht es den USA konkret darum, Geschäfte zu unterbinden, die überhaupt nicht über ihr Land abgewickelt werden. Ein deutscher Maschinenbauer oder französischer Automobilkonzern kann dann in den USA juristisch zur Rechenschaft gezogen werden, weil er nach Iran liefert oder dort fertigt. Hier setzt die ursprünglich wegen US-amerikanischer Sanktionen gegen Kuba, Iran und Libyen ersonnene EU-Verordnung an. Sie untersagt es europäischen Unternehmen nicht nur, die US-Vorschriften anzuwenden, sondern verpflichtet sie sogar dazu, entsprechende Gerichtsurteile aus den USA zu ignorieren.

Die Blockadeverordnung ist noch nie praktisch angewendet worden

Die Verordnung verpflichtet betroffene Firmen dazu, binnen 30 Tagen anzuzeigen, dass sie der - aus Sicht der EU - ungesetzlichen Anwendung von US-Recht zum Opfer fallen. Für Verluste und jedwede Kosten, die EU-Unternehmen dadurch entstehen, können sie nach der Verordnung Schadenersatz geltend machen - und zwar beim Verursacher. Das wären letztlich die Vereinigten Staaten. Diese werden, das weiß man auch in Brüssel, natürlich nicht zahlen. Daher sieht die Blockade-Verordnung die Möglichkeit vor, auf gerichtlichem Wege US-Besitz zu beschlagnahmen, um die offenen Rechnungen zu begleichen.

Das klingt abenteuerlich, und in der Praxis ist die Verordnung auch noch nie zum Einsatz gekommen. Mit den USA hatte sich die EU 1998 vielmehr darauf verständigt, dass bestimmte Kuba-Sanktionen keine extraterritoriale Geltung entfalten - solange die EU und andere Partner "ihre Bemühungen zur Förderung der Demokratie in Kuba fortführen". Zu einer Entschärfung des Konflikts mit einer ähnlichen Formel dürfte Trump aber kaum zu bewegen sein. Sein Ziel ist es, die Führung in Teheran durch beispiellosen wirtschaftlichen Druck in die Knie zu zwingen. Schlupflöcher wird er nicht dulden wollen.

Trotz der Blockadeverordnung muss Trump auch kaum befürchten, dass ihm große europäische Konzerne in die Quere kommen. Sie werden ihr USA-Geschäft nicht gefährden wollen, um vergleichsweise bescheidene Gewinne in Iran zu sichern. In unternehmerische Entscheidungen werde man nicht eingreifen, stellte ein hochrangiger EU-Beamter am Montag klar. "Die EU ist eine Marktwirtschaft. Wir schützen die unternehmerische Freiheit", sagte er. Heißt im Klartext: Solange Firmen eine abgeblasene Investition in Iran nicht als Folge der US-Sanktionen deklarieren, sondern als eigene unternehmerische Entscheidung darstellen, kommen sie nicht mit EU-Recht in Konflikt. Es ist denn in Brüssel auch von einer eher symbolischen Wirkung der Verordnung die Rede. In der Praxis ist die EU bemüht, jene europäischen Unternehmen bei Aktivitäten in Iran zu unterstützen, die ohnehin nicht auf dem US-Markt tätig sind. Im Klaren sind sich die Europäer darüber, dass sie die massiven wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen für Iran bestenfalls abmildern können. Entscheidend für Teheran ist außerdem vor allem, ob es weiter Abnehmer für das iranische Öl findet. Und die finden sich auch jetzt schon kaum in Europa, sondern in China.

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SZ vom 07.08.2018
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