Süddeutsche Zeitung

US-Kongress:Trumps Tweet und Trumps Timing

Lesezeit: 2 min

Von Thorsten Denkler

Ein Tweet von @realDonaldTrump reicht offenbar, und die Republikaner spuren. Die wollten mit ihrer Mehrheit im US-Repräsentantenhaus die Möglichkeiten der unabhängigen Ethik-Kommission des Hauses deutlich beschneiden. Die Kommission ist vielen viel zu mächtig. Das "Office of Congressional Ethics" (OCE) wurde 2008 nach mehreren Korruptionsskandalen gegründet. Drei Abgeordnete mussten später auch wegen der Arbeit der Ethik-Ermittler ins Gefängnis.

Am Montagabend hatte sich eine Mehrheit der Republikaner mit 119 zu 74 Stimmen intern dafür ausgesprochen, die Kommission direkt dem Ethik-Komitee des Repräsentantenhauses zu unterstellen. Die Unabhängigkeit wäre damit passé gewesen.

Es wäre eine der ersten Amtshandlungen der Republikaner im Repräsentantenhaus gewesen, das sich am Dienstag zur konstituierenden Sitzung zusammengefunden hatte. Der kommende US-Präsident Donald Trump schien allerdings etwas dagegen zu haben.

Mit zwei Tweets machte Donald Trump den Plan offenbar zunichte. Nicht, dass er die Ethik-Kommission sonderlich schätzen würde. Aber: "Bei all der Arbeit, die vor dem Kongress liegt, ist wirklich die Schwächung der Ethik-Kommission, so unfair sie sein mag, die Nummer-eins-Priorität", fragt Trump. Und weiter: "Konzentriert euch auf die Steuerreform, auf die Gesundheitsversorgung und so viele andere Dinge, die weitaus wichtiger sind!"

Ist ihm etwa wieder eingefallen, dass er im Wahlkampf mit dem Versprechen recht erfolgreich war, den Sumpf der Korruption in Washington auszutrocknen (Drain the swamp)?

Wie auch immer, die Trump-Tweets zeigten umgehend Wirkung: Die Republikaner kamen zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Eine Beraterin des republikanischen Sprechers des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, erklärte später, der Vorschlag werde zurückgezogen. Ryan hält in dieser Funktion zugleich den höchsten Rang innerhalb der Fraktion der Republikaner.

Trump wird jetzt von manchen gar als Retter der Ethik-Kommission gefeiert. Der noch bis zum 20. Januar amtierende US-Vizepräsident Joe Biden nannte es eine "weise Entscheidung", die Reform zurückzunehmen. Es wäre "sehr, sehr schlecht gewesen", das durchzuziehen.

Republikanische Abgeordnete wie Tom Cole stützen Trump. Er teile Trumps Auffassung, dass andere Dinge zunächst wichtiger seien, sagte er auf CNN. "Ich glaube, er verdient dafür eine Menge Anerkennung."

Für die Washington Post liegt genau darin der Haken. Unter der Überschrift "Gebt Trump nicht die Überschriften, die er haben möchte" schreibt sie: Trump habe mit keinem Wort die Haltung der Republikaner zur Ethik-Kommission kritisiert. Auch er hält ihre Arbeit offenbar für "unfair". Es schien letztlich nur eine Frage des Timings zu sein.

Dem widerspricht Cole nicht: Sich jetzt, wie Trump sagt, auf wichtigere Dinge zu konzentrieren, "heißt ja nicht, dass unser eigentliches Anliegen nicht richtig gewesen ist". Es sei wohl nicht der richtige Zeitpunkt gewesen, jetzt über die Ethik-Kommission zu entscheiden.

Verhindert hat Trump die umstrittene Reform der Ethik-Kommission also nicht. Das war wohl auch gar nicht seine Absicht. Sie soll jetzt wohl bis August über die Bühne gebracht werden. Dann voraussichtlich mit dem Segen von Trump. Irgendein Tweet wird ihm dazu bestimmt einfallen.

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