Süddeutsche Zeitung

Uruguay:Hoch auf der Welle

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Der neue rechtskonservative Präsident Luis Alberto Lacalle Pou beendet eine lange Ära linker Regierungen. Jetzt muss er sich beweisen.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Kurz bevor Luis Alberto Lacalle Pou im November letzten Jahres die Präsidentschaftswahlen seiner Heimat Uruguay gewann, erzählte er Reportern eine Anekdote aus seiner wilden Jugend. Damals, 1998, kurz nach seinem Abschluss in Jura, sei er mit dem Surfbrett unter dem Arm einen Monat lang den besten Wellen der Welt hinterhergereist - und natürlich hätten diese ihn auch in die Brandung vor Hawaii geführt. Dort sei er neben grimmigen Ortsansässigen im Wasser gesessen, unter ihm lagen messerscharfe Korallenriffe, hinter ihm türmten sich meterhohe Wellen auf, die ihn immer wieder vom Brett gespült hätten. Aufgegeben habe er nicht, sagte Uruguays neuer Präsident. Im Gegenteil. Er habe in Hawaii die gefährlichste Welle seines Lebens geritten. Ob die Geschichte stimmt? Schwer zu sagen. Aber das ist auch egal, was zählt, ist die Botschaft. Und die ist simpel: Er ist Lacalle Pou, der Rebell, der sich nicht unterkriegen lässt. Die Wahrheit allerdings sieht etwas anders aus.

Am Sonntag trat Luis Alberto Lacalle Pou sein Amt als 36. Präsident von Uruguay an. Damit wird er nicht nur das erste surfende Staatsoberhaupt seines Landes und dazu noch das jüngste in der Geschichte der südamerikanischen Nation sein. Lacalle Pou wird auch eine Ära beenden. 15 Jahre lang haben vor ihm die Präsidenten der linken Frente Amplio das Land regiert, allen voran der legendäre José Mujica, ein ehemaliger Guerillakämpfer, der jahrelang im Gefängnis saß und nach seinem Wahlsieg einen Großteil seines Präsidentengehalts spendete. Wenn man so will, dann treten die Rebellen also ab - und mit Lacalle Pou kehren "die Weißen" nach 20 Jahren zurück ins Amt. Der Partido Nacional repräsentiert die alte Elite, zu der auch Lacalle Pou gehört, egal wie sehr er sich gegen dieses Image wehrt.

Tatsächlich gibt es wohl kaum eine Familie in Uruguay, die so einflussreich ist, wie seine. Ein Vorfahr mütterlicherseits regierte die Region bereits, als diese noch Vizekönigreich vom Rio de la Plata hieß. Lacalle Pous Urgroßvater väterlicherseits war einer der prägendsten Politiker in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und dann war da noch Lacalle Pous Vater, Luis Alberto Lacalle, selbst Präsident seines Landes von 1990 bis 1995. Anders gesagt: Die Brandung, gegen die Luis Alberto Lacalle Pou in seinem Leben ankämpfen musste, war eher harmlos. Privatschule, Privatuni, Einstieg in die Politik, alles nur unterbrochen von längeren Trips zum Surfen.

Lacalle Pous größte Niederlage bislang dürften darum die Wahlen von 2014 gewesen sein. Er scheiterte damals noch deutlich als Präsidentschaftskandidat, fünf Jahre später aber konnte sich Lacalle Pou in einer extrem knappen Stichwahl gegen den Kandidaten der linken Frente Amplio durchsetzen. Deren Regierung hatte in den letzten 15 Jahren zwar die Armut und die Arbeitslosigkeit gesenkt und dazu noch eine ganze Reihe progressiver Gesetze erlassen. Dafür hatte sie sich aber auch mit dem Militär angelegt und ein riesiges Steuerdefizit angehäuft. Vor allem aber die zunehmende Kriminalität macht vielen Menschen in Uruguay große Sorgen.

Lange war das Land ein Hort der Ruhe und Ordnung, nun aber steigen die Mord- und die Kriminalitätsrate. Uruguay gehört auf einmal zu den gefährlichsten Ländern der Region. Strukturelle Armut ist ein Grund dafür, aber auch die zunehmende Präsenz von Drogenbanden an der Grenze zu Brasilien. Viele Wähler wünschen sich eine harte Hand und Lacalle Pou ist darum extra eine Koalition mit einer ultrarechten Partei eingegangen, die härtere Strafen und größere Gefängnisse fordert.

Auf der anderen Seite wollen viele Menschen auch einen Wechsel: Die Spitzenpolitiker in Uruguay sind meist weit über 60 Jahre alt, mit seinen 46 Jahren stach Lacalle Pou allein deshalb schon aus dem Bewerberfeld heraus, dazu pflegte er sein Image als Rebell ganz gezielt. Dass die Surfzeiten nun vorbei sind, weiß Lacalle Pou selbst: Als Präsident habe er keine Zeit mehr zum Wellenreiten, sagte er den Reportern vor der Wahl. Was bleibe, seien Fotos und die wilden Geschichten, die Freunde ihm von ihren Surftrips erzählen.

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SZ vom 02.03.2020
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