Süddeutsche Zeitung

Unruhen in Bahrain:Riad versus Teheran

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Polizei und Militär gehen in Bahrain brutal gegen Demonstranten vor. Doch die Zusammenstöße sind mehr als ein innenpolitischer Konflikt: Der Golfstaat wird zu einem Schlachtfeld im Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und Iran.

Rudolph Chimelli

Alljährlich kommen zwei Millionen Saudis nach Bahrain. Sie suchen auf dem kleinen Inselkönigreich vor ihrer Küste als Touristen all das, was sie in ihrer puritanischen Heimat nicht finden: Nachtclubs, Kinos, Spielcasinos, Alkohol. Bahrain ist für sie in normalen Zeiten ein kleines Las Vegas. Doch für die Truppen, die zu Beginn der Woche aus Saudi-Arabien über den König-Fahd-Fahrdamm auf die Insel rollten, ist das anders. Einigen Berichten zufolge sind es 1000 Soldaten, andere Quellen sprechen gar von 2400. Sie sichern das Viertel des Königspalasts und sind in der Öffentlichkeit kaum sichtbar. Doch das macht die überforderten bahrainischen Sicherheitskräfte von König Hamad ibn Isa Al Chalifa frei für ihre Aufgabe, die schiitische Mehrheit des Volkes niederzuhalten.

Dafür räumten die bahrainischen Truppen am Mittwoch als Erstes den Perlenplatz. Es ist der zentrale Verkehrskreisel der Hauptstadt Manama, auf dem die Protestbewegung nach dem Vorbild des Kairoer Tahrir-Platzes seit Wochen ein Zeltlager aufgeschlagen hatte. Polizei und Militär gingen mit gepanzerten Fahrzeugen und Tränengas gegen mehrere hundert Demonstranten vor, während Hubschrauber in der Luft kreisten. Von den brennenden Zelten der Besetzer stieg schwarzer Rauch auf. Schüsse waren zu hören. Mindestens zwei Demonstranten wurden getötet. Auch zwei Polizisten starben, als sie vom Auto eines Fliehenden angefahren wurden.

Der Abgeordnete Abd-el-Dschalil Chalil des oppositionellen Wefak-Blocks, der wichtigsten parlamentarischen Stimme der bahrainischen Schiiten, sprach von einem "Vernichtungskrieg" gegen seine unbewaffneten Glaubensgenossen. Sie hätten nichts außer Stöcken zu ihrer Verteidigung. Dutzende Verletzte wurden in Krankenhäusern versorgt, zu denen die Polizei später den Zugang sperrte. Wie bei früheren Zusammenstößen kursierten Berichte über Sanitäter, die von der Polizei behindert oder verprügelt worden seien. Schon am Vortag war Kriegsrecht verhängt worden. Ansammlungen sind verboten. Die Geschäfte hatten geschlossen. Vor Geldautomaten standen Menschen Schlange. Die Brücken zum Flugplatz waren zeitweise gesperrt.

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad nannte die Unterdrückung der schiitischen Mehrheit Bahrains "unannehmbar". Nahezu geschlossen unterzeichneten die Abgeordneten des iranischen Parlaments eine Entschließung, in der sie die saudische Regierung vor "ernsten Folgen" warnten. Außenminister Ali Akbar Salehi telefonierte mit seinen Kollegen in Katar und der Türkei sowie mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa. Die Botschafter Saudi-Arabiens und der Schweiz, welche die USA in Iran vertritt, wurden ins Teheraner Außenministerium einbestellt.

Die "14. Provinz Irans"

Erst am Wochenende hatte US-Verteidigungsminister Robert Gates nach einem Besuch in Manama darauf hingewiesen, dass die Verschleppung der Krise Iran die Möglichkeiten zur Einmischung liefern werde. Dies wurde rasch zu einer Prophezeiung, die sich selbst erfüllte. Der saudische Vorstoß nach Bahrain richtet sich im regionalen Kräftemessen eindeutig gegen Iran. Durch die jüngsten Entwicklungen waren die Saudis in dieser Kraftprobe ins Hintertreffen geraten. Der Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak bedeutete für sie den Verlust eines wichtigen Verbündeten gegen Iran. Schon die Ablösung ihres libanesischen Schützlings, des Premierministers Saad Hariri, durch eine von der schiitischen Hisbollah geführte Mehrheit war ein Rückschlag für Riad gewesen.

Iran profitierte von diesen Entwicklungen, ohne aktiv zu werden. Die Entsendung saudischer Truppen, hat Teheran nun aus der Reserve gelockt. Da Bahrain im 18. Jahrhundert zeitweilig unter persischer Souveränität stand, hatte der letzte iranische Schah während der siebziger Jahre Ansprüche auf die Inselgruppe erhoben und sie als "14. Provinz Irans" bezeichnen lassen. Einige Ultra-Nationalisten in Teheran hatten solche Forderungen vor mehreren Jahren wiederholt, wofür sich Iran entschuldigen musste.

Die Schiiten, die zwei Drittel der bahrainischen Bevölkerung ausmachen, sind keine Nachfahren persischer Einwanderer. Sie stammen aus dem Irak - wie die mit ihnen verwandte schiitische Bevölkerung der saudischen Erdölprovinz Hasa am benachbarten Ostufer des Golfs. Das theologische Zentrum für die Bahrainis ist vorwiegend Nadschaf im Irak. Ihre Proteste richten sich gegen jahrzehntelange Benachteiligung durch das sunnitische Herrscherhaus der Chalifa. Gehobene Posten im Staat sind für Sunniten reserviert. Polizisten und Soldaten rekrutiert der König bisher im arabischen Ausland oder in Pakistan. Der reiche Teil Manamas ist sunnitisch, die armen Vororte sind von Schiiten bewohnt. Obwohl sie die Mehrheit der Bevölkerung stellen, haben Schiiten im gewählten Unterhaus des Parlaments nur 18 der 40 Mandate.

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SZ vom 17.03.2011
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