Süddeutsche Zeitung

Gleichstellung:Ungarns Rechnungshof beklagt Frauenförderung an Universitäten

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Frauen mit akademischer Ausbildung seien wählerischer bei der Partnerwahl und hätten Schwierigkeiten, eine Familie zu gründen. Das Papier, das von einem reaktionären Familienbild zeugt, ruft harsche Kritik hervor.

Ein Rechnungshof ist eine wichtige Institution in einer Demokratie. Er dokumentiert die Verschwendung von Steuergeldern, mahnt einen sparsamen Umgang mit staatlichen Mitteln an und nimmt das Finanzgebaren der Regierenden in den Blick.

Das tut auch der Rechnungshof in Ungarn, obschon die Demokratie dort nach Meinung zahlreicher besorgter Beobachter in Erosion begriffen ist. Die Behörde hat nun ein ihrer Meinung nach dringliches Problem identifiziert: den hohen Frauenanteil an den ungarischen Universitäten. Die akademische Ausbildung erschwere es den Frauen, einen Ehepartner zu finden und eine Familie zu gründen. Denn die Frauen seien - anders als studierte Männer - wählerischer, was ihre Partner anbelange. Die daraus resultierende niedriger Geburtenrate gefährde den Wohlstand der Nation.

"Zeichen von pinker Ausbildung", mit dieser Überschrift ist die bereits am 1. Juli erschienene - von einem reaktionären Familienbild zeugende Studie überschrieben. Sie wurde von einer Wissenschaftlerin einer Budapester Universität geleitet und erst jetzt von einer ungarischen Zeitung aufgegriffen. Frauen seien an den Universitäten überrepräsentiert in der Lehre, was dazu führe, dass "männliche Sichtweisen unterschätzt und möglicherweise sanktioniert" würden. Als "männliche Eigenschaften" listet die Studie "Kreativität, Innovationsfähigkeit und Unternehmergeist" auf.

Dass im Kabinett des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán nur eine Frau, aber 14 Männer sitzen, wird in der Studie nicht erwähnt. Genauso wenig, dass im Parlament nur 13 Prozent weibliche Abgeordnete vertreten sind, eine der niedrigsten Raten in den Industrieländern.

Die Studie ruft im Ungarn harsche Kritik hervor. "Die Hauptlast der Ungleichheit in Ungarn tragen die Frauen", sagt Anna Komjathy vom Demokratischen Lehrerverband. "Die Vorstellung, dass der Zugang von Männern zur Hochschulbildung durch Frauen behindert wird, ist offen gesagt ein Witz."

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