Süddeutsche Zeitung

UN-Antrag der Palästinenser:Kluger Umweg über New York

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Durch ihren UN-Antrag auf Anerkennung als Staat haben die Palästinenser Druck auf Israel erzeugt. Jetzt kommt für beide Seiten der schwierigste Part: das Ende von Scheingefechten und Propaganda - und der Beginn echter Verhandlungen. Dann haben die Palästinenser eine reelle Chance auf Frieden mit Israel.

Stefan Kornelius

Frieden im Nahen Osten ist möglich. Die in Jahrzehnten gewachsene Feindschaft zwischen Israelis und Palästinensern, genährt durch Kriege und Terror, durch schreiendes Unrecht und pathologischen Hass, muss kein Dauerzustand der Geschichte sein. Die Feindschaft kann überwunden werden, selbst wenn die Erfahrung aus ungezählten Vermittlungsmissionen, Gesprächen und Abkommen nicht viel Hoffnung zulässt.

Diese Gegnerschaft kann nicht mit einem simplen Federstrich unter einem Vertrag aufgehoben werden. Friedfertigkeit muss geübt werden. Dazu braucht es Vertrauen, das erst wachsen kann, wenn die Konfliktparteien Abstand voneinander halten. Abstand wiederum wird durch Grenzen hergestellt, durch Regeln für den Umgang miteinander - und am besten mit Hilfe eines Schiedsrichters.

Nach diesen Prinzipien soll der Friedensprozess funktionieren, der in den vergangenen Tagen in New York verhandelt wurde. Es war dies nicht nur die Woche, in der die Palästinenser bei den Vereinten Nationen als Staat geadelt werden wollten. Vielmehr wurde in diesen Tagen auch die realistische Hoffnung auf einen neuen Friedensprozess begründet.

Israel hat neun Monate nach Beginn der arabischen Umwälzungen erkannt, dass es Gefahr läuft, sich sehr schnell in einem extrem feindseligen, ja kriegerischen Umfeld wiederzufinden, wenn es nicht jetzt für Frieden sorgt. Die Führung der Palästinenser wiederum hat erkannt, dass ihre Tage enden könnten wie die der ehemals Herrschenden in Ägypten oder Tunesien - mit dem Unterschied, dass es radikale Islamisten sein werden, welche die Macht an sich reißen. Und schließlich haben die USA als Schutzmacht für Israel stark an Einfluss verloren.

Das sind keine schlechten Voraussetzungen für einen echten Frieden, der, wenn er denn etwas wert sein soll, zwischen Israel und den Palästinensern geschlossen werden muss. Bliebe es nur bei der Bemühungen um die Anerkennung Palästinas als Staat, wäre das nicht mehr als Symbolik.

Freilich darf man auch diese Symbolik nicht unterschätzen. Ohne den klugen Umweg über die UN hätten die Palästinenser nie den Handlungsdruck erzeugt, der jetzt auf Israel lastet. In diesem komplizierten Spiel mit Erwartungen und Wahrnehmungen gilt es jetzt, einen Schritt weiter zu gehen. Denn nun, da der Antrag auf Anerkennung der Staatlichkeit auf dem Tisch liegt, kommt der schwierigste Part: das Ende der Scheingefechte und der Propaganda - und der Beginn echter Verhandlungen, gepaart mit echter Kompromissbereitschaft.

Die staatliche Anerkennung Palästinas nutzt nichts, wenn sie nicht mit Frieden gekoppelt sein wird. Und Israel wird in Isolation versinken, wenn es weiter taktische Spiele versucht. Es ist daher höchste Zeit für das Nahost-Quartett, seine Vorschläge auf den Tisch zu legen - und Zeit für die Konfliktparteien, in direkte Verhandlungen einzusteigen.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2011
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