Süddeutsche Zeitung

Umstrittenes Mediengesetz in Ungarn:Schatten über Europa

Lesezeit: 2 min

Im Ton gibt er sich versöhnlich: Ungarns Premier und derzeitiger EU-Ratspräsident Viktor Orbán kündigt an, Kritik der EU an seinem umstrittenen Mediengesetz zu berücksichtigen. Allerdings lässt er offen, was genau er damit meint.

Martin Winter

Ohne in der Sache nachzugeben versucht der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán jetzt, etwas Ruhe in den europaweiten Streit um sein Mediengesetz zu bringen. Der Grund: Die "schlechten politischen Diskussionen" drohten einen "Schatten" auf seine gerade übernommene Präsidentschaft der EU zu werfen, sagte er am Freitag nach einem Treffen mit der EU-Kommission.

Kommissionschef José Manuel Barroso wird ebenfalls von der Sorge getrieben, dass die EU-Präsidentschaft Ungarns politisch in Schwierigkeiten geraten könnte, wenn die Kritik an Budapest anhält. Deshalb hatte Barroso in einer privaten Unterredung Orbán offensichtlich gedrängt, seinen Kritikern entgegen zu kommen und den Konflikt zu entschärfen. Sollte sich bei der Anwendung des Gesetzes herausstellen, dass sich einige der jetzt geäußerten "Befürchtungen bewahrheiten", dann werde er "Abhilfe schaffen", sagte Orbán.

Was genau er darunter versteht, ließ er aber offen. Der Kommission sagte er nach Angaben Barrosos allerdings zu, "Änderungen zu unternehmen", wenn Brüssel bei der Überprüfung des Gesetzes zu dem Schluss kommen sollte, dass es europäische Vorschriften oder Regeln verletzt. Orbán versicherte allerdings erneut, dass er mit dem Gesetz nur das "in der EU Übliche" getan habe. Kritik an dem Gesetz, das die Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten in Ungarn stark einschränkt und zwei politisch besetzten Aufsichtsbehörden erhebliche Macht über private wie öffentliche Medien einräumt, wies er als "emotionale Reaktionen" zurück.

Barroso kündigte an, dass die Kommission das ungarische Mediengesetz prüfen werde, sobald es in Brüssel vorliege. Ob dabei das ganze Gesetz überprüft wird, blieb aber im Ungewissen. Barroso bezog sich ausdrücklich auf einen Brief vom 22.Dezember, in dem Medienkommissarin Neelie Kroes von Budapest Erläuterungen erbeten hatte. In dem geht es allerdings nur um den Teil des Gesetzes, der sich auf die Übernahme der EU-Richtlinie für audiovisuelle Medien bezieht. So bleibt unklar, ob die besonders in der Kritik stehenden Vorschriften, die auf eine Behinderung der journalistischen Freiheit hinauslaufen, auf die europäischen Grundwerte hin überprüft werden. Barroso bekräftigte nur allgemein, dass die "Pressefreiheit ein geheiligtes Prinzip" der EU sei.

Ob es Barroso und Orbán gelingt, Ruhe in die Diskussion zu bringen, in der der ungarische Ministerpräsident schon einmal mit osteuropäischen Autokraten verglichen wurde, gilt unter europäischen Diplomaten aber als zweifelhaft. In der kommenden Woche veranstaltet die liberale Fraktion im Europäischen Parlament eine Anhörung, und vermutlich befasst sich auch der Innenausschuss der Parlaments mit der Angelegenheit. Für den 19. Januar wird eine heftige Debatte im Europäischen Parlament erwartet, wenn Orbán nach Straßburg reist, um das Programm seiner Präsidentschaft zu präsentieren.

Nicht nur bei den Liberalen, sondern auch Grünen und den Sozialdemokraten ist das ungarische Gesetz auf starke Kritik gestoßen. Und die konservativ-christliche EVP, der Orbáns Partei Fidesz angehört, ist dem Vernehmen nach gespalten. Selbst ihr Fraktionsvorsitzender Josef Daul soll eine genaue Analyse des Gesetzes zu einer Bedingung für die Unterstützung Orbáns gemacht haben. Doch obwohl sie stärkste Fraktion im Parlament ist, hat die EVP keine Mehrheit. Bei einer Abstimmung müsste Ungarn gegenwärtig mit einer Niederlage rechnen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1043804
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.01.2011
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.