Süddeutsche Zeitung

Ukraine:Gefangenenaustausch in der Ukraine

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Von Julian Hans, Moskau

Die ukrainische Regierung in Kiew und die von Russland unterstützten Separatisten im Osten des Landes haben am Mittwoch den größten Austausch von Gefangenen seit Beginn des Konflikts im April 2014 durchgeführt. Schauplatz war Berichten zufolge der ukrainisch kontrollierte Frontübergang Majorsk nahe der Separatistenstadt Horliwka.

Die ukrainische Seite ließ am Mittwoch 237 Gefangene frei, die sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk ermöglichten 73 Gefangenen die Rückkehr auf Kiewer Gebiet. Ursprünglich geplant war die Freilassung von insgesamt 380 Gefangenen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron begrüßten den Schritt als "wichtige humanitäre Geste".

Die Verhandlungen stockten immer wieder

Der Austausch aller Gefangenen wurde im Februar 2015 im Abkommen von Minsk festgelegt. Bisher ist jedoch keiner der 13 Punkte des Abkommens vollständig umgesetzt - darunter ein Waffenstillstand, der Abzug schwerer Geschütze von der Front, freie Wahlen in den besetzten Gebieten sowie die Rückgabe der Kontrolle der russisch-ukrainischen Grenze an Kiew. Dem Austausch waren lange Verhandlungen vorausgegangen. Wenige Tage vor Neujahr und vor dem orthodoxen Weihnachtsfest am 7. Januar kann nun zumindest ein Teil der Gefangenen nach Hause.

Im November hatte der russische Präsident Wladimir Putin öffentlich verkündet, er werde "tun, was ich kann", um zu einem Austausch beizutragen. Gleichwohl gerieten die Verhandlungen immer wieder in eine Sackgasse.

Am 7. Dezember trafen sich die Außenminister Russlands und der Ukraine, Sergej Lawrow und Pawel Klimkin, zum ersten Mal seit drei Jahren unter vier Augen. Bei dem Gespräch in Genf sei es fast ausschließlich um den Gefangenenaustausch gegangen, berichtete Klimkin im Anschluss. "Von welchen Beziehungen kann schon die Rede sein, wenn wir uns im Krieg befinden", sagte er. "Wir haben nur darüber gesprochen, wie wir unsere Jungs da rausholen."

Streit gab es vor allem um die Namen auf den Listen. So hatte Kiew schon früh betont, man werde keine ehemaligen Angehörigen der Sondereinheit "Berkut" freilassen, die beschuldigt werden, an den tödlichen Schüssen auf dem Maidan im Februar 2014 beteiligt gewesen zu sein. Umgekehrt hatten die Separatisten offenbar die Überstellung von Personen gefordert, die selbst gar nicht mehr in die von ihnen kontrollierten Gebiete zurückkehren wollten. Also musste jeder einzelne Fall aufwendig überprüft werden.

Die Kämpfe im Osten des Landes haben wieder zugenommen

Weil sich Kiew weigerte, Gefangene freizulassen, denen Terrorismus und andere schwere Verbrechen vorgeworfen werden, waren die Verhandlungen erneut ins Stocken geraten. Erst als der Moskauer Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill, die Führer der selbsternannten Volksrepubliken zu einem Gespräch in seinen Amtssitz im Moskauer Danilow-Kloster bat, stimmten sie einem Kompromiss zu.

Die Kämpfe im Osten der Ukraine haben derweil wieder zugenommen. Alexander Hug, der Schweizer Sprecher der OSZE-Mission in der Ukraine, schlug Mitte Dezember Alarm: Die Waffenruhe werde so oft verletzt wie seit März nicht mehr. Dazu kommt ein weiteres besorgniserregendes Signal: Vor einer Woche zog Moskau seine Offiziere aus der Ukraine ab, die in einem "Zentrum für Kontrolle und Koordinierung der Waffenruhe" den Kontakt mit ukrainischen Kollegen gehalten hatten. Laut der OSZE gab es 2017 mehr als 300 000 Verletzungen der Waffenruhe im Donbass.

Dass die Friedensbemühungen ins Stocken geraten sind, ist wohl auch eine Folge der vielen Regierungswechsel in Staaten, die Einfluss nehmen könnten: Wahlen in Frankreich, den USA und in Deutschland, wobei Trump als Erstes sein Desinteresse an der Ukraine bekundete und in Berlin noch immer keine neue Regierung in Sicht ist. Der Führer der selbsterklärten Volksrepublik Luhansk wurde vor einigen Wochen gestürzt, und in Moskau beginnt derzeit der Wahlkampf für die Präsidentenwahl im März 2018.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2017
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