Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Krise:EU-Außenminister beraten über Verhältnis zu Russland

Lesezeit: 3 min

Von Stefan Braun, Berlin, und Daniel Brössler, Brüssel, Brüssel/Berlin

Überschattet von schweren Kämpfen im Osten der Ukraine haben die Außenminister der Europäischen Union am Montag eine "strategische" Diskussion über die Beziehungen zu Russland begonnen. Es sei notwendig, "neben der Reaktion auf Russland auch eine Strategie als Europäische Union zu entwickeln, wie man langfristig das Verhältnis mit Russland wieder auf stabile Beine setzen kann", sagte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz.

Vier Stunden lang diskutierten die Minister "lebhaft" über die Linie gegenüber Moskau, wie der polnische Außenminister Grzegorz Schetyna sagte. Vor allem die östlichen EU-Staaten wandten sich dabei gegen die Aufweichung der europäischen Position. "Die EU ändert ihre Politik gegenüber Russland nicht. Ganz im Gegenteil", sagte Schetyna. Auch der litauische Außenminister Linas Linkevičius betonte: "Es fehlt der politische Wille (Russlands). Es gibt keine Bewegung vor Ort. Es gibt keinen Grund, die Politik zu ändern." Russland müsse sich um eine Annäherung an die EU bemühen, nicht umgekehrt.

Ab März laufen die Sanktionen aus

Die Hohe Repräsentantin der EU für Außenpolitik, Federica Mogherini, hatte die strategische Debatte anberaumt, um unabhängig von der Sanktionsfrage längerfristige Überlegungen zum Verhältnis zu Russland anzustellen. Zur Vorbereitung der Sitzung hatte der Auswärtige Dienst der EU in einem Papier unter anderem eine klarere Strukturierung der Sanktionen gegen Russland zur Diskussion gestellt, die auch deren teilweise Lockerung erleichtern würde.

Die Sanktionen laufen in drei Wellen von März an aus und müssten dann verlängert werden. "Unter dem Gesichtspunkt der aktuellen Ereignisse in der Ostukraine hat niemand die Idee geäußert, über die Lockerung von Sanktionen nachzudenken", stellte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) klar. Einigkeit herrschte außerdem darüber, dass die Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens von Minsk einer Lockerung vorausgehen müsste.

Gefechte um Flughafen von Donezk

Davon kann derzeit keine Rede sein. Bei heftigen Gefechten um den Flughafen im ostukrainischen Donezk sind am Montag nach Militärangaben drei Soldaten getötet worden. Die Separatisten nähmen den Flughafen weiter unter Beschuss, sagte ein Armeesprecher. Am Wochenende hatte das Militär einen Großangriff auf den umkämpften Flughafen gestartet und das Gelände nach eigenen Angaben weitgehend von den Separatisten zurückerobert. Mit der jüngsten Offensive rücken die Kämpfe näher an die von den Separatisten kontrollierte Industriemetropole Donezk heran. "Wir werden den Flughafen nicht aufgeben", betonte der Armeesprecher.

Steinmeier zeigte sich "enttäuscht" über den Verlauf der Gespräche zwischen den Konfliktparteien. In Berlin wächst der Ärger über deren Verhalten. So hatten sich beim letzten Berliner Treffen der Außenminister Frankreichs, Russlands, der Ukraine und Deutschlands weder der Russe Sergej Lawrow noch der Ukrainer Pawlo Klimkin die Mühe gemacht, selbst Wege aus der aktuellen Krise zu suchen. Stattdessen habe es vier Stunden lang nur Streit und gegenseitige Schuldzuweisungen gegeben, hieß es in Diplomatenkreisen.

Entsprechend strikt will die Bundesregierung nur dann zu einem weiteren Treffen der Außenminister einladen, wenn es Zusagen aus Moskau und Kiew gibt, dieses Verhalten nicht zu wiederholen.

Gemeinsame Aktionen zur Terrorabwehr

Als Reaktion auf die islamistischen Anschläge von Paris beschlossen die Außenminister, die Zusammenarbeit mit Ländern der islamischen Welt weiter auszubauen. Neben dem intensiveren Datenaustausch sollen nach Angaben der EU-Außenbeauftragten Mogherini beispielsweise Sicherheitsexperten in bestimmte EU-Vertretungen im Ausland entsandt werden. Als Kooperationsländer nannte sie die Staaten aus der Golfregion sowie die Türkei, Ägypten und Algerien.

Die Italienerin kündigte zudem für die kommenden Tage ein Expertentreffen zum Thema Terrorfinanzierung in Brüssel an. Dabei wird es um Wege gehen, Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) dauerhaft finanzielle Einnahmequellen wie zum Beispiel durch Ölgeschäfte zu nehmen. Nach Angaben der EU sicherte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, Europa volle Unterstützung beim Kampf gegen den Terror zu. Er war als Gast zu dem Außenministertreffen geladen.

Die Ergebnisse der Ministerrunde sollen am 12. Februar bei einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs besprochen werden. Dort soll die zukünftige EU-Terrorabwehr eines der Topthemen sein.

Austausch von Fluggastdaten und Einschränkung der Reisefreiheit

Neben den außenpolitischen Aspekten des Anti-Terror-Kampfes kamen bei dem Treffen in Brüssel am Rande auch die innenpolitischen Pläne zur Sprache. Der belgische Außenminister Didier Reynders sagte, es müsse darum gehen, den Austausch von Informationen zu europäischen Dschihadisten noch weiter zu verstärken. In dem Zusammenhang forderte er vom Europaparlament, den Widerstand gegen den innereuropäischen Austausch von Fluggastdaten aufzugeben.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz sagte: "Es gibt mittlerweile etwa 5000 Menschen, die aus Europa in den Kampfeinsatz in den Irak und nach Syrien gezogen sind. Und insbesondere, wenn diese Menschen zurückkehren, stellen sie ein massives Sicherheitsrisiko für uns in Europa dar." Als wirksame Mittel der Terrorabwehr nannte Kurz Einschränkungen der Reisefreiheit. "Insbesondere der Entzug des Reisepasses und anderer Dokumente kann dazu führen, dass diese Personen, die mit Terrororganisationen wie dem IS liebäugeln, gar nicht in den Irak und nach Syrien reisen können", sagte Kurz.

Die schwedische Außenministerin Margot Wallström warnte hingegen vor allzu großen Erwartungen. Es gelte die Ursachen von Terrorismus und Radikalisierung zu bekämpfen. Damit sei man bei langfristigen Ansätzen und politischen Lösungen, sagte sie. "Ich bin mir nicht sicher, ob es so viele neue oder schnelle Lösungen gibt."

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SZ vom 20.01.2015 /dpa
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