Süddeutsche Zeitung

Ukraine:Timoschenko beendet Hungerstreik

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Unter strenger Bewachung ist die ukrainische Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko vom Gefängnis in ein Krankenhaus gebracht worden. Dort will sie ihren Hungerstreik beenden. Ein deutscher Mediziner wird sie in den kommenden Tagen behandeln.

Die in Haft erkrankte ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko hat ihren Hungerstreik beendet. Das teilte der deutsche Arzt Lutz Harms in Charkow mit. Die Oppositionspolitikerin hatte nach eigenen Angaben seit dem 20. April keine Nahrung zu sich genommen - aus Protest gegen ihre Behandlung durch die Regierung des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.

Timoschenko war am Morgen unter der Aufsicht von Harms in ein Krankenhaus verlegt worden. "Wir werden beginnen, sie aus dem Hungerstreik herauszuführen", sagte der Neurologe der Berliner Klinik Charité in Charkow rund 450 Kilometer östlich der Hauptstadt Kiew. Dies geschehe erst mit Wasser und Säften, dann mit fester Nahrung.

Die Überführung in die Klinik erfolgte unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Harms hatte gleich danach mit der Untersuchung Timoschenkos begonnen. Das bestätigte am Mittwochmorgen Raissa Moiseenko, die stellvertretende Gesundheitsministerin. Erst wenn die Untersuchung abgeschlossen sei, wolle man über das weitere Verfahren entscheiden, sagte Moiseenko.

Die ukrainische Regierung hat dem Charité-Spezialisten Harms erlaubt, alle für die Behandlung notwendigen Medikamente und Hilfsmittel aus Deutschland einzuführen. Laut Aussage Moiseenkos teilt sich Timoschenko mit einer zweiten Patientin ein Krankenzimmer. Um wen es sich dabei handelt, ließ sie offen. Das Krankenhausgelände wurde seit dem Morgen schwer bewacht.

Die wegen angeblichen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Gefängnis verurteilte Politikerin klagt seit Monaten über einen schweren Bandscheibenvorfall.

Wegen des Falles ist das Co-Gastgeberland der Fußball-Europameisterschaft scharfer internationaler Kritik und Boykottdrohungen ausgesetzt. Beobachter werfen Staatspräsident Janukowitsch vor, seine politische Rivalin "kaltstellen" zu wollen. Die Ukraine verschob am Dienstag einen von etlichen Staatsoberhäuptern boykottierten Regionalgipfel.

Timoschenkos Verlegung in ein Krankenhaus wurde von deutschen Politikern begrüßt. Außenminister Guido Westerwelle bezeichnete es als "Fortschritt". Denn abseits der öffentlichen Diskussion um einen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine gehe es nun vorrangig darum, "dass Timoschenko eine angemessene medizinische Behandlung bekommt", sagte Westerwelle. Der Außenminister erinnerte zudem daran, dass auch noch weitere ehemalige Mitglieder der ukrainischen Regierung inhaftiert sind.

Ähnlich äußerte sich die Grünen-Politikerin und Osteuropa-Expertin Marieluise Beck. Sie habe die Nachricht von der Verlegung mit Erleichterung aufgenommen. "Das ist ein wichtiger Schritt. Ich finde es menschlich und persönlich erfreulich", sagte Beck.

Spezialisten der Berliner Charité hatten sich vergangene Woche mit Timoschenko auf eine Behandlung in der Klinik von Charkow verständigt. Das Angebot der Bundesregierung, die Führerin der prowestlichen Orangenen Revolution von 2004 in Deutschland zu behandeln, lehnt Kiew ab.

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