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Kommunalwahl:Türkischer Wahlrat erkennt pro-kurdischen Bürgermeistern Wahlsieg ab

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Von Deniz Aykanat

Mehrere Bürgermeister der pro-kurdischen linken Partei HDP, die bei den Kommunalwahlen am 31. März in ihren Bezirken eigentlich die Mehrheit der Stimmen erlangt hatten, dürfen ihre Ämter nicht antreten. Stattdessen sollen die zweitplatzierten Kandidaten nachrücken - allesamt Politiker der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP.

Der Hohe Wahlrat, die oberste türkische Wahlbehörde, hat entschieden, dass die Politiker für die Ämter ungeeignet seien, weil sie in der Vergangenheit aus dem Staatsdienst entlassen worden sind. Die HDP selbst nennt auf ihrer Homepage fünf betroffene Gemeinden: Edremit, Tuşba und Çaldıran am Van-See sowie die Kleinstädte Tekman in der Provinz Erzurum und Dağpınar in der Provinz Kars. In den Nachrichtenagenturen und türkischen Medien ist allerdings auch noch von einer sechsten Gemeinde die Rede: Auch in Bağlar, einem Viertel der Großstadt Diyarbakır soll der mit großer Mehrheit gewählte HDP-Bürgermeister durch den AKP-Kandidaten ausgetauscht werden.

Der Wahlrat bezieht sich mit seiner Begründung auf die Zeit nach dem Putschversuch vom Juli 2016. Während des danach zwei Jahre andauernden Ausnahmezustands wurden tausende Staatsbeamte per Regierungsdekret von ihren Posten entfernt - darunter auch die sechs Anwärter auf die Bürgermeisterposten. Einige von ihnen hatten als Lehrer gearbeitet.

HDP: "Diese willkürliche Entscheidung erkennen wir nicht an"

Die HDP spricht von einer Falle. Die betreffenden Kandidaten seien vor der Kommunalwahl ordnungsgemäß registriert und vom Wahlrat zur Wahl zugelassen worden. Schon damals war bekannt, dass die Kandidaten aus dem Staatsdienst entlassen worden waren, ein Problem sah der Wahlrat darin damals offensichtlich nicht. Nun, da sie die Wahl mit ordentlichem Abstand gewonnen haben, sollen sie plötzlich für das Amt nicht mehr geeignet sein, kritisiert die HDP. "Diese willkürliche Entscheidung erkennen wir nicht an", sagte Parteisprecher Saruhan Oluç. Die HDP spricht von Rechtsbruch.

Die Gemeinden liegen alle im kurdisch geprägten Südosten der Türkei. Schon während des Ausnahmezustands hatte die türkische Regierung mehrere Bürgermeister in der Region abgesetzt und die Gemeinden unter Zwangsverwaltung gestellt. Bei der jüngsten Kommunalwahl konnte die HDP einige dieser Bürgermeisterposten zurückgewinnen - und soll diese nun erneut verlieren. Die Entscheidung des Wahlrats sei ein Angriff auf den Wählerwillen ließ Mithat Sancar, HDP-Abgeordneter und Jura-Professor, über Twitter verlauten. Die Partei will nun eine Neuwahl beantragen und legte bereits Beschwerde beim Wahlrat ein.

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