Süddeutsche Zeitung

Tschechien:Andrej Babis' Spiel mit der Angst

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Der Wahlsieger schießt gegen die EU und Ausländer und sucht engere Beziehungen zu Russland. Auch wenn er nicht allein regieren kann: Die Wahl in Tschechien ist epochal.

Kommentar von Florian Hassel

Nach Ungarn, Polen und Österreich rückt nun auch Tschechien weiter nach rechts. Populisten und Demagogen werden gestärkt, insofern ist diese Wahl epochal zu nennen. Für die demokratische Linke ist das Ergebnis ein Fiasko.

Die Sozialdemokraten, die Tschechien seit 2014 gar nicht so schlecht regierten und dem EU-Land mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit und starkem Wachstum vorstanden, schossen sich auch durch Führungsschwäche des redlichen, aber schwachen Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka ins politische Aus. Mit Ausnahme der konservativen ODS-Partei wurden die traditionellen Parteien schwer gerupft. Stattdessen feiern Radikale auf der linken und rechten Seite und Populisten dank wirkungsmächtigem Polit-Marketing und schamlosen Spiel mit den Ängsten vieler Tschechen Erfolge - allen voran Andrej Babis.

Wahlsieger Babis ist kein glühender Nationalist mit festem Programm, wie etwa Jarosław Kaczyński in Polen. Doch gefährlich ist er trotzdem. Seit der 63 Jahre alte Unternehmer vor vier Jahren die politische Bühne betrat, hat er seine Positionen nach Wind und Wählerstimmung ausgerichtet: vom Euro-Befürworter zum Euro-Gegner, von Zustimmung zur Einwanderung ins alternde und um Arbeitskräfte ringende Tschechien bis zur Gegenposition. Dieser Wechsel hat Babis bei den Tschechen, die vor allem von ihren Präsidenten Vaclav Klaus und Milos Zeman seit mehr als einem Jahrzehnt teils üble Anti-EU-Propaganda zu hören bekommen, Auftrieb verschafft. Nur noch 29 Prozent der Tschechen halten die EU für eine gute Sache.

Milliardär Babis lenkt große Teile der öffentlichen Meinung

Babis dürfte seinen Anti-EU-Kurs nun verstärken, vor allem auch angesichts des Wahlerfolges der populistisch-rechtsradikalen SPD. Frohlocken darf Wladimir Putin: Sowohl Babis wie die SPD sind gegen die EU-Sanktionen gegenüber Moskau. Dabei haben sie einen natürlichen Verbündeten in Präsident Zeman, der enge Beziehungen zu Moskau pflegt.

Zwar ist der größte anzunehmende Unfall nicht eingetreten: dass etliche kleinere Parteien den Einzug ins Parlament verpassen und Babis dann zusammen mit Kommunisten und der populistisch-rechtsradikalen SPD uneingeschränkt regieren würde. Doch schon bisher lenkte Babis einen großen Teil der öffentlichen Meinung durch bezahlte Spindoktoren und ihm gehörende Medien. Vor der Wahl forderte er die Auflösung einer Parlamentskammer und eine Einschränkung regionaler Selbstverwaltung.

Der Oligarch hat sein Vermögen in seiner Zeit als Finanzminister in der letzten Regierung auf 3,4 Milliarden Euro verdoppelt - und will nun ihm unliebsame, weil seine Geschäfte potenziell beeinträchtigende Ministerien abschaffen. Die kommende Regierung wird angesichts des Übergewichts von Babis' Partei Tschechien vereinnahmen. Sie ist keine profilierte Organisation klassischer Prägung, sondern ein Wahlverein des Chefs: Ob der Oligarch die Regierung vor oder hinter den Kulissen lenkt, wird deshalb für die Tschechen keinen Unterschied machen.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2017
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