Süddeutsche Zeitung

USA:Und dann stehen sich plötzlich Trump-Gegner und -Fans gegenüber

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Zehntausende Menschen feiern am Unabhängigkeitstag in Washington den Präsidenten. Viele halten mit Protesten dagegen. Wie Befürworter und Gegner Trump sehen.

Protokolle von Thorsten Denkler, Washington

Zum ersten Mal seit bald sieben Jahrzehnten hat mit Donald Trump ein US-Präsident am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag, wieder ein Rede auf der National Mall in Washington gehalten. Er hat dafür die Air Force One über die Köpfe von Zehntausenden Zuschauern fliegen lassen. Und eine Reihe von Militärmaschinen unterschiedichen Typs. Auch so eine Demonstration militärischer und politischer Macht kannte das Land bisher nicht. Es haben sich vor allem Trump-Unterstützer versammelt. Aber auch viele Gegner. Wir haben mit beiden Seiten gesprochen.

Irene Barnacille, 48 Jahre

"Ich bin absolut gegen Abtreibung. Da ist er bei mir. Wir brauchen auch sichere Grenzen. Ich bin selbst eine Immigrantin. Wir kommen aus Kolumbien. Wir mussten lange warten, bis wir ein Visum bekommen haben. Diese Menschen kommen einfach über die Grenze und wollen die gleichen Rechte haben wie wir. Aber auch für sie müssen Regeln gelten. Ich glaube nicht, dass Trump ein Rassist ist. Wäre er ein Rassist, stünde ich nicht hier. Ich finde gut, dass er für das Land kämpft. Und dass er das Land besser machen will. Ich meine, der Wirtschaft geht es gut, es gibt weniger Arbeitslose. Es geht rauf, rauf, rauf. Unter Obama ging es nur runter, runter, runter."

Karen Hilmer, 73 Jahre

"Ich stehe zum ersten Mal in so einer großen Menge von Trump-Unterstützern. Ich kann sagen, das ist kein besonders schönes Gefühl. Ich und meine Freunde sind hier nicht besonders willkommen, das verstehen wir. Aber wir sind beschimpft worden. Wir fühlen hier keine Liebe. Aber ich finde, es ist unsere Pflicht, auch hier unseren Standpunkt zu verteidigen. Ich bin keine Heldin. Aber Trumps Politik macht mich so wütend, an einem bestimmten Punkt muss ich dann los und gegen ihn protestieren. Trump und die Menschen hier müssen merken, dass wir nicht einverstanden sind."

Vince Tortora, 58 Jahre

"Trump sagt, wie es ist und ich liebe es, wie er es sagt. Es geht ihm zuerst und vor allem um das amerikanische Volk. America First, so sehe ich das auch. Und so sollte es in jedem Land sein. Über viele Jahre gingen andere Menschen vor, andere Staaten. Neue Handelsabkommen, Sicherheit, Grenzen, er hat viel erreicht. Aber die Linken bekämpfen ihn von allen Seiten. Das ist nicht einfach. Aber er versucht alles, er gibt nicht auf. Das bewundere ich an ihm."

Amanda Sexton, 22 Jahre

"Um ganz ehrlich zu sein, ich trage zwar diese Kappe, aber ich bin keine hundertprozentiger Trump-Unterstützerin. Ich habe ihn 2016 gewählt. Aber vor allem, weil ich Hillary Clinton auf keinen Fall im Weißen Haus sehen wollte. Ich wollte nur mal testen, wie die Menschen in Washington reagieren, wenn ich hier mit so einer Mütze rumrenne. Ich komme aus Kalifornien. Wenn du da so eine Kappe trägst, dann läufst du Gefahr, verprügelt zu werden. Washington scheint mir da deutlich toleranter zu sein. Es ist hier alles ein bisschen durchmischter. Nicht nur Linke. Kalifornien ist ein schlimmer Ort, wenn du dort nicht mit dem linken Mainstream übereinstimmst."

Greg Sharp, 66 Jahre

"Ich habe über 25 Jahre nicht gewählt. Und dann kam Trump. Ich mag, dass Trump kein Politiker ist. Er sagt, was ihm in den Sinn kommt. Auch wenn ich mir manchmal wünsche, er hätte besser den Mund gehalten. Aber er schuldet keinem was. Jeder andere Politiker muss doch denen folgen, die ihnen viel Geld gespendet haben. Sie sind nur Marionetten. Trump gehört nur sich selbst. Und er arbeitet für das Volk. Aber natürlich, er lernt im Job. Er führt das Weiße Haus wie ein Unternehmen. Aber ich finde, genau so muss es sein. Amerika muss wie ein Konzern geführt werden. Darum feuert er Leute. Warum soll er auch Mitarbeiter behalten, die nicht gut genug sind? Dann holt er sich eben neue. Ich jedenfalls bin zufrieden mit seinen ersten beiden Jahren."

Taylor Branch, 18 Jahre

"Es ist einfach nicht okay, was er mit Immigranten macht! Trump hat Kinder in Käfige gesperrt. Das geht nicht. Jeder, der ein besseres Leben will, der sollte hierherkommen können. Trump hat nichts Gutes für das Land gemacht. Und noch was: Amerika war nie großartig! Wir haben die Ureinwohner umgebracht. Und dann erzählen sie uns, Immigranten dürfen hier nicht leben. Wir sind alle Immigranten, jeder von uns, bis auf die Ureinwohner. Darum sollte es jedem erlaubt sein, herzukommen. Vier Monate alte Kinder sind gestorben. Mütter sind von ihren Kindern getrennt worden. Das geht nicht! Und wenn Trump sagt, dann geht doch zurück, dann sagen ich: Nein! Die Menschen müssen eine Chance bekommen."

Fletcher Johnson, 62 Jahre

"So eine Militärschau wie heute habe ich noch nicht erlebt. Es ist ziemlich problematisch, wenn das Militär politisch instrumentalisiert wird. Was ich aber vor allem sehe, dass viele, viele Menschen gekommen sind. Es ist nicht so, dass mich das nicht beunruhigen würde. Aber am Ende gibt es mehr von uns als von denen. Das war ja schon in den Wahlen 2016 und 2018 so. Wir müssen unsere Arbeit machen und die Leute an die Wahlurnen bringen. (Kampfflugzeuge donnern über seinen Kopf hinweg. Er zeigt nach oben.) Das jedenfalls repräsentiert nicht mein Amerika. Wenn wir Kinder an der Grenze einsperren, ihnen nicht mal eine Zahnbürste geben, wenn wir Menschen, die nichts anderes als ein besseres Leben suchen, wie Tiere behandeln, dann ist das nicht mein Amerika."

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