Süddeutsche Zeitung

Tim Draper für einen Freistaat Silicon Valley:Der Mann, der Kalifornien aufspalten will

Lesezeit: 3 min

Der Milliardär und selbsternannte "Riskmaster" Tim Draper hat einen Plan: Er will Kalifornien in sechs Bundesstaaten aufteilen, eine wichtige Hürde hat er nun genommen. Profitieren könnten davon die Republikaner - und das Silicon Valley.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Tim Draper ist auf einem Kreuzzug. Das Symbol, für das er kämpft, hat er sich am Tag seines Triumphes um den Hals geknotet: Karten auf seiner Krawatte zeigen, wie sich der kalifornische Milliardär seine Heimat künftig vorstellt: Der "Golden State" soll in insgesamt sechs verschiedene Bundesstaaten aufgeteilt werden.

Seit vielen Monaten reist Draper mit seiner Idee durch die Gegend. Nun ist er seinem Ziel einen beachtlichen Schritt näher gekommen: Am Dienstag hat der Investor in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento 1,3 Millionen Unterschriften von Unterstützern vorgelegt, die sich für eine Volksabstimmung über die Aufspaltung des Staates aussprechen.

Das Votum könnte im November 2016 stattfinden, allerdings müssten auch bei einem Erfolg noch der Kongress in Washington und die kalifornische State Legislature - Senat und Abgeordnetenhaus - der Aufspaltung zustimmen. Dies gilt bislang als so gut wie ausgeschlossen.

Ineffizienz als Grundproblem

Draper, dessen Großvater der erste Großfinanzier des Silicon Valley gewesen ist, setzt sich als Libertärer für radikale Marktfreiheit ein und steht den Republikanern nahe. Sein Argument basiert deshalb vor allem auf einer Kosten-Nutzen-Rechnung: "Wir geben am meisten aus und bekommen dafür am wenigsten", wiederholt der 55-Jährige gebetsmühlenartig.

Kalifornien, dessen Bruttoinlandsprodukt etwa so hoch wie das russische ist, gibt zum Beispiel landesweit am meisten für Gefängnisse aus, hat aber die höchsten Rückfallraten. Ähnlich schlecht sei die Bilanz in der Bildung, wo die Kinder des Staates in Lese- und Rechenfähigkeiten im nationalen Vergleich einen der letzten Plätze belegen, und Armutsbekämpfung. Die 38 Millionen Einwohner verdienten zudem eine bessere Repräsentation in Washington. Auch dafür wäre eine Aufspaltung des Staates gut, ist Draper überzeugt. Denn jeder Bundesstaat schickt zwei Vertreter in den US-Senat.

Geht es nach Draper, dann sähe Kalifornien künftig so aus: Westkalifornien (Los Angeles und die westlich angrenzenden Countys), Südkalifornien (San Diego), Zentralkalifornien (der Osten und die Region rund um Fresno), das Silicon Valley (San Francisco und das Silicon Valley), Nordkalifornien (Sacramento und die umliegenden Bezirke) und Jefferson (der eher ländlich geprägte Norden).

Es ist kein Zufall, dass in dieser neuen Konstellation das Silicon Valley plötzlich der reichste der dann 55 US-Bundesstaaten wäre (und Zentralkalifornien der ärmste). Draper stammt aus dem Valley, er wurde mit Investitionen in Hotmail, Skype oder die chinesische Suchmaschine Baidu Milliardär und ist auch am Autohersteller Tesla beteiligt.

Berichten zufolge hat Draper 1,3 Millionen Dollar in die Kampagne investiert, weit weniger als die 18 Millionen Dollar, die er jüngst für den Bitcoin-Bestand der geschlossenen Plattform Silk Road ausgab. "Jetzt seid ihr am Zug", rief er während der Abgabe der Unterschriften den Kaliforniern zu, "Ihr könnt euren eigenen Staat formen."

Neben ihm träumen dort schon seit geraumer Zeit Teile der Tech-Branche von einem Leben ohne die berüchtigte kalifornische Bürokratie und lästige Gesetze, die aus ihrer Sicht die Revolutionierung aller Lebensbereiche stören. Dies reicht bis hin zu dem Vorschlag des Biotech-Unternehmers Balaji Srinivasan, sich komplett von den USA loszusagen und eine eigene "von Technologie angetriebene Gesellschaft" zu formen.

Doch auch jenseits der Technologie-Branche hat die Idee der Aufspaltung Kaliforniens Tradition: Einen ersten Versuch gab es bereits 1854, vier Jahre nach der offiziellen Aufnahme in die Vereinigten Staaten - mehr als 220 weitere folgten seitdem.

Ungelöste Rechtsfragen

In einem Gutachten vom Januar kommt eine unabhängige kalifornische Prüfbehörde zu dem Schluss, dass die Sechsteilung rechtliche Fragen aufwerfen und teuer werden würde: Wassernutzung, Pensionen für Staatsangestellte, die Verteilung der Schulden, der Bedarf an neuer Infrastruktur wie Gefängnissen und Verwaltungen oder zu erwartende Bevölkerungswanderungen gehören demnach zu ungelösten Problemen, die das sechsfache Kalifornien mit sich bringen würde. Andere Juristen bezweifeln, ob die Abspaltung per Volksentscheid überhaupt verfassungsgemäß wäre.

Der "Risikomeister" zeigt sich unbeeindruckt

Die Demokraten beschuldigen Draper, mit der Neuordnung den Republikanern Staaten "basteln" zu wollen, in denen sie - im Gegensatz zum jetzigen Kalifornien - Chancen auf Senatoren-Posten und Mehrheiten bei der Präsidentschaftswahl hätten.

In der Organisation "OneCalifornia" versammeln sich deshalb nun die Spaltungsgegner. Deren Chef, der demokratische Politberater Steve Maviglio, spricht von einem "Ego-Trip" Drapers, der zum Scheitern verurteilt sei - spätestens der Kongress würde mit der Aussicht auf weitere Senatoren die Idee stoppen. Das Geld sei besser in öffentliche Schulen oder die Gesundheitsversorgung investiert. Auch die Kalifornier können sich Umfragen zufolge bislang nicht für eine Spaltung erwärmen.

Die Kritik dürfte Draper wenig stören. Denn an Selbstbewusstsein mangelt es dem Investor - Spitzname Riskmaster - nicht, wie diese Liedzeilen beweisen:

"He is the Riskmaster / Lives fast drives faster / Skates on the edge of disaster"

Singt wer? Natürlich Tim Draper über Tim Draper.

Linktipp:

  • "Man könnte die Finanzindustrie neu erfinden": Tim Draper im Interview mit Sz.de-Korrespondent Pascal Paukner.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2048836
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.