Süddeutsche Zeitung

Tiervergleich:Angela Merkel ist ein Wolf

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Ein chinesischer Professor vergleicht die Kanzlerin mit einem Raubtier. Darf das sein? Ja: Es ist sogar charmant.

Stilkritik von Gerhard Matzig

"Angela Merkel sieht aus wie ein Wolf." Es ist Donnerstag, kurz nach acht Uhr früh, und man lauscht - wie immer zur Erbauung - dem Bayerischen Rundfunk. Zu hören ist im Radio ein kluger Beitrag zum Besuch der Kanzlerin in China. Zu hören sind Professor Liu Liqun und einige seiner Doktoranden von der Universität Peking. Man habe es, so der BR, mit "Deutschland-Verstehern" zu tun. Und nun das: "sieht aus wie ein Wolf". Schlagartig ist man hellwach.

Ist nicht gerade ein amerikanisches Kriegsschiff unterwegs im Südchinesischen Meer? Wird nun Deutschland mit hineingezogen in die nächste Weltkrise, indem man, akademisch abgesichert, die Kanzlerin als Beutegreifer schmäht, der zur Ordnung der Raubtiere einerseits zählt und zur Gattung der Schakalartigen andererseits?

Merkel weiß eben, wie man ein Rudel führt

Tatsächlich ist das Ganze ein Riesenkompliment, wenn auch eines von ambivalenter Natur. Gepriesen werden nämlich (nachdem Marx und Engels als die bekanntesten Deutschen anerkannt werden, noch vor dem Fifa-Franz) der Kanzlerin Ausdauer und ihre Stabilität. Außerdem weiß sie ein Rudel zu führen. Kurzum: Ein Wolf ist in der chinesischen Symbolik keine üble Sache - obschon er auch für Grausamkeit, Gefräßigkeit und Gier steht.

Verglichen mit der üblichen Kritik an der Kanzlerin (ist im Fernsehen zu kaltherzig zu einem Flüchtlingskind, ist in der Realität zu warmherzig zu allen anderen Flüchtlingen, schwitzt in Bayreuth, erfindet die Raute, trägt schwarzrotgüldenen Schmuck und seltsame Hosenanzüge, und diese Frisur . . .), gemessen daran ist der Vergleich mit dem Wolf geradezu charmant. Und geistreich obendrein.

Dass die Merkel nun des Menschen und sogar der Deutschen Wolf ist: geschenkt. Ein sicherer Kriegsgrund wie auch ein präziser zoologischer Befund lägen ja auch dann nicht vor, wollten chinesische Experten Sigmar Gabriel als Panda und Horst Seehofer als Lurch beschreiben. Letzteres wäre indessen irritierend. Schon deshalb, weil Seehofer ganz genau weiß, dass er der ist, der mit dem Wolf tanzt.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2015
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