Süddeutsche Zeitung

Thomas de Maizière:Warum sagt er das?

Lesezeit: 2 min

"Ein Teil dieser Antworten könnte die Bevölkerung verunsichern" - für diesen Satz überschüttet das Netz den Innenminister mit eimerweise Häme. Dabei hat er es nur gut gemeint.

Von Paul Munzinger

Auch ein vereitelter Anschlag hinterlässt schlimme Bilder. Sie laufen nicht über die Bildschirme, sondern durch die Köpfe der Menschen. Was hätte alles passieren können? Wenn vier Tage nach den Anschlägen von Paris in Hannover ein Stadion evakuiert wird und die Stadt im Blaulicht flackert, ist es schwer, der Vorstellungskraft Grenzen zu setzen. Vor allem dann, wenn der Bundesinnenminister der ohnehin galoppierenden Fantasie noch die Sporen gibt. Warum tut er das?

Thomas de Maizière hat sich gestern auf der Pressekonferenz nach dem abgesagten Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden selbst einige Fragen gestellt. Was genau war der Hintergrund der Gefährdung? Was hätte passieren können? Warum kam es so spät, eineinhalb Stunden vor Anpfiff, noch zur Absage? Verständnis habe er für diese Fragen, sagte de Maizière. Beantworten wolle er sie nicht. Warum? "Ein Teil dieser Antworten könnte die Bevölkerung verunsichern." Ein Geschichtenerzähler baut so Spannung auf. Ein Innenminister tut genau das, was er vorgibt, verhindern zu wollen: Er verunsichert.

Auf Twitter witzeln jetzt die Nutzer, welche wichtigen Fragen des Lebens sich sonst noch auf De-Maizière-Art lösen lassen. "Schatz, liebst du mich?", "Wie waren meine Blutwerte?" oder "Ist noch Kaffee da?" Die Antwort lautet natürlich immer: "Ein Teil meiner Antwort würde dich verunsichern." Der Hashtag #DoItLikeMaiziere führt die Trends heute an.

De Maizière hat es gut gemeint

Tragisch ist für den Minister: Man muss de Maizière unterstellen, dass er niemandem Angst machen wollte. Er hat es gut gemeint. Seit den Anschlägen von Paris hat er die Deutschen nicht geschont. Er hat sie wiederholt und eindringlich davor gewarnt, dass die Gefahr real, die Lage ernst sei. Und er hatte gute Gründe dafür, gestern Abend nicht ins Detail zu gehen. Er verwies darauf, dass konkrete Aussagen weitere Ermittlungen gefährden könnten, dass der Hinweisgeber in Zukunft vielleicht keine Hinweise mehr geben wolle. Gut gemeint ist aber eben nicht gut gemacht. De Maizière hat den richtigen Mittelweg gesucht zwischen der nötigen Offenheit und der nötigen Verschwiegenheit. Er hat sich bei dieser Suche vor aller Augen verheddert.

Letztlich ist der fatale Satz "Ein Teil dieser Antworten könnte die Bevölkerung verunsichern" also eine Frage der politischen Klugheit, oder eben deren Gegenstück. Vom kürzlich verstorbenen politischen Weltweisen Helmut Schmidt ist der Satz überliefert: "Ehrlichkeit verlangt nicht, dass man alles sagt, was man denkt. Ehrlichkeit verlangt nur, dass man nichts sagt, was man nicht auch denkt." De Maizière hat vielleicht nicht alles gesagt, was er denkt. Aber eindeutig zu viel.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2742900
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.