Süddeutsche Zeitung

Tennis:Genug ist genug

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Wimbledon ändert die Regeln, damit sich die Spiele nicht mehr endlos hinziehen können.

Von Cathrin Kahlweit

Die Briten nehmen das Wort Revolution ungern in den Mund; sie hatten, anders als die Franzosen (Bastille), die Russen (Winterpalast) und die Deutschen (Novemberrevolution, Wende), nie eine und wollten auch keine. Schon Asterix und Obelix wussten, dass die Briten nachmittags weder kämpfen noch revoltieren, denn da trinken sie ihren afternoon tea.

Was den Brexit angeht, so könnten dessen Auswirkungen 2019 zwar in einem Aufstand enden; immerhin sagen Prognosen "zivilen Ungehorsam" voraus, wenn es ohne Deal wegen massiver Nachschubprobleme erst an französischem Käse, deutschen Autoteilen oder italienischem Wein mangelt. Aber wie die Sache mit dem EU-Austritt auch endet: Historiker vermelden die erste echte Revolution für Großbritannien ohnehin bereits für das Jahr 2018 (Wimbledon).

Revolution meint Umwälzung, und die hat am Freitag, fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit, in Wimbledon stattgefunden. Der Vorsitzende des All England Lawn Tennis Club, Philip Brook, gab bekannt, es werde von 2019 an beim berühmtesten Tennisturnier der Welt im letzten und entscheidenden Satz der Matches ein Tiebreak geben. Für Laien, die sich im Tennis nicht auskennen, sei gesagt: Durch einen Tiebreak wird ein Gleichstand an Spielen am Ende eines Satzes beendet; bei 6 : 6 spielen die Gegner also ein letztes, siebtes Spiel. Wer das gewinnt, hat den Satz gewonnen.

Die Altvorderen in Wimbledon hatten dagegen für den fünften Satz keinen Tiebreak vorgesehen. Den Satz konnte nur gewinnen, wer zwei Spiele vor seinem Gegner lag - also 6:4, 7:5, 8:6 und so weiter. Das konnte dauern: In der ersten Runde von Wimbledon 2010 spielten der US-Amerikaner John Isner und der Franzose Nicolas Mahut im entscheidenden Satz stolze 138 Spiele. Das Match zog sich über drei Tage hin, Isner gewann schließlich 70:68.

Wer dieses Match für eine einmalige Ausnahme hielt, wurde vor vier Monaten eines Besseren belehrt. Wieder war es Isner, der sich quälen musste: Er stand im Halbfinale gegen den Südafrikaner Kevin Anderson, und der fünfte Satz endete schließlich 26:24. Der Frust bei den Spielern und die Ermüdung bei den Zuschauern mögen die Revolutionsstimmung im Vorstand noch nicht befeuert haben. Aber als sich wegen des überlangen Halbfinales das zweite Semifinale mit den berühmteren Spielern Novak Djoković und Rafael Nadal verzögerte und erst am Folgetag beendet werden konnte, und der Sieger Djoković müde ins Finale musste, war das Maß voll. Nun gibt es eine neue Wimbledon-Regel; die New York Times nennt sie die "John-Isner-Regel": Künftig gibt es einen Tiebreak im fünften Satz.

Aber die Briten wären nicht Briten, und Wimbledon wäre nicht Wimbledon, wenn nicht doch wieder alles anders wäre: Das entscheidende Spiel wird 2019 nicht, wie anderswo üblich, beim Stand von 6:6 ausgetragen, sondern bei 12:12. Das, so Brook, erlaube den Spielern, "das Match zu ihrem Vorteil zu entscheiden, während es zugleich sein Ende in einem akzeptablen Zeitrahmen" erreiche. Besser spät als nie. Jetzt sind es, unter anderem, die Franzosen, einst mit dem Sturm auf die Bastille weit vorn, die in den French Open noch immer kein Tiebreak im fünften Satz anbieten. Allons!

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Quelle:
SZ vom 22.10.2018
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