Süddeutsche Zeitung

John Magufuli:Von der Lichtgestalt zum Diktator

Lesezeit: 2 min

Von Isabel Pfaff, München

Tansanias Präsident John Magufuli hat einen Spitznamen, der seit Jahren sehr gut zu ihm passt. Er passte, als Magufuli Arbeitsminister des armen, aber stabilen ostafrikanischen Landes war, und er passte ebenso, als er 2015 überraschend Staatschef und zum Idol vieler Afrikaner wurde. Selbst jetzt, wo auch seinen Fans langsam dämmert, dass sich mit Magufuli ein neuer afrikanischer Diktator in Stellung gebracht hat, passt der Spitzname noch: "tingatinga", übersetzt etwa: Traktor oder Bulldozer.

Magufuli ist vor drei Jahren mit einer beeindruckenden Anti-Korruptions- und Spar-Agenda angetreten und schuf rasch Fakten. Er entließ Spitzenbeamte, die ihre Arbeit nicht machten oder ihr Amt missbrauchten, er halbierte sein Kabinett, deckelte die Gehälter im Staatswesen und setzte die Justiz auf Steuerhinterzieher an. Kosten ohne direkten Nutzen sind dem 59-Jährigen ein Graus, er streicht Feierlichkeiten, um Geld zu sparen, und bleibt internationalen Konferenzen häufig fern - selbst wenn sie im Nachbarland Kenia stattfinden, wie diese Woche die Blue Economy Conference, auf der es um die nachhaltige Nutzung von Ozeanen und Gewässern geht.

Viele Beobachter reagierten zu Beginn positiv überrascht auf Magufulis ungewöhnlichen Kurs. Der Politiker entstammt schließlich der Chama Cha Mapinduzi (CCM), jener Partei, die Tansania seit der Unabhängigkeit von Großbritannien regiert - und die bis dahin eher für eine träge und nicht besonders erfolgreiche Staatsführung stand. Nach seinem Amtsantritt griff ein regelrechtes Magufuli-Fieber um sich - viele Afrikaner wünschen sich Politiker, die ihren Job effizient und unbestechlich erledigen, auch der Präsident Ruandas hat ungeachtet seines autoritären Stils viele Fans auf dem Kontinent. Doch auf das Fieber ist Ernüchterung gefolgt. Denn Magufuli verfolgt nicht nur faule Staatsdiener oder Steuersünder auf Bulldozer-Art, sondern auch jegliche Form von Kritik.

Unter seiner Präsidentschaft traten mehrere extrem restriktive Medien-Gesetze in Kraft. Mindestens vier Zeitungen wurden wegen Kritik an der Regierung zeitweise verboten, Blogger müssen hohe Lizenzgebühren bezahlen, um überhaupt publizieren zu dürfen, es gab Verhaftungen wegen Beleidigung des Staatschefs auf Whatsapp. Inzwischen herrscht ein Klima der Angst unter tansanischen Journalisten. Das Land galt aufgrund der übermächtigen Regierungspartei ohnehin nie als vorbildlich in Sachen politische und gesellschaftliche Freiheiten. Doch unter Magufuli hat sich dieser Trend massiv verschärft.

Inzwischen ist das auch zu den Gebern durchgedrungen. Tansania war bisher immer großzügig mit Hilfsgeldern bedacht worden, das knapp 60 Millionen Einwohner starke Land zählte regelmäßig zu Afrikas Top-Fünf-Empfängern von Entwicklungshilfe. Doch vor zwei Wochen hat die Weltbank einen Kredit von 300 Millionen US-Dollar an Tansania zurückgezogen. Eigentlich sollte das Geld in die weiterführenden Schulen des Landes gesteckt werden. Doch die Weltbank störte sich daran, dass schwangere Schülerinnen in Tansania der Schule verwiesen werden. Das geschieht auf Basis eines Gesetzes zwar schon seit Jahrzehnten, doch Magufuli hat sich öffentlich für diese Praxis stark gemacht: "Wenn du schwanger wirst, bist du fertig", sagte er auf einer Versammlung im Sommer vergangenen Jahres. Keine schwangere Schülerin dürfe an ihre Schule zurückkehren, so lange er Staatschef sei.

Am selben Tag wie die Weltbank teilte auch Dänemark mit, dass es Hilfsgelder in Höhe von knapp 10 Millionen US-Dollar zurückhalte - wegen homophober Äußerungen eines hochrangigen Beamten. Kurz zuvor hatte der Regionalkommissar von Daressalaam seinen Plan öffentlich gemacht, eine Art Überwachungstrupp einzusetzen, der Homosexuelle aufspüren und der Polizei übergeben solle. Homosexualität ist in Tansania, wie in mehreren anderen afrikanischen Ländern, verboten. Auch die EU überdenkt derzeit ihr Verhältnis zu dem ostafrikanischen Land. Anfang November hat Brüssel seinen Gesandten aus Tansania zurückgerufen.

Derart unter Druck stehend, sucht Präsident Magufuli, der einstige Hoffnungsträger, nun neue Verbündete. "Die Chinesen sind wahre Freunde", sagte er am Dienstag anlässlich der Eröffnung einer von Peking gestifteten neuen Bibliothek an der Universität Daressalaam. "Sie bieten Hilfe an, ohne Bedingungen zu stellen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4232113
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.