Süddeutsche Zeitung

Syrien:Österreichische UN-Soldaten unter schwerem Verdacht

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Österreichische Blauhelmsoldaten sollen syrische Polizisten nicht vor einem Hinterhalt gewarnt haben. Ein Video von dem Vorfall sorgt in Wien für Aufsehen.

Von Peter Münch, Wien

In Wien sorgt ein Video von den Golanhöhen für Aufsehen, das österreichische Blauhelm-Soldaten einem schweren Verdacht aussetzt. In den Aufnahmen, die dem Stadtmagazin Falter zugespielt worden sind, ist ein Vorfall aus dem September 2012 zu sehen: Neun syrische Polizisten passieren ungehindert einen UN-Checkpoint, geraten kurz darauf in einen Hinterhalt und sterben im Kugelhagel einer mutmaßlichen Schmugglerbande. Die UN-Soldaten, die in einer seit 1974 laufenden Mission als neutrale Beobachter auf dem Golan stationiert sind, haben das Video offenbar selbst gedreht - und müssen sich nun dem Vorwurf stellen, sie hätten die Polizisten vor dem ihnen bekannten Hinterhalt warnen müssen.

Genährt wird dieser Vorwurf durch die Tonspur der Aufnahmen. In österreichischem Dialekt ist dort zu hören, wie die Soldaten den Vorfall kommentieren: "Jetzt geht's gleich los", sagt einer. "Des is a Himmelfahrtskommando. Bist du deppert." An einen gewissen Toni gerichtet heißt es: "Normalerweise musst des sagen. Weil wenn do oana überbleibt, dann kummt er umma und schiasst uns ob." Darauf Toni: "Hob i eana eh g'sogt" - wobei unklar bleibt, ob er die Polizisten meint oder andere Kollegen.

Das Verteidigungsministerium in Wien lässt den Vorfall auf den Golanhöhen untersuchen

Das österreichische Verteidigungsministerium setzte eine Untersuchungskommission ein. Die Vereinten Nationen wurden zur Mitarbeit eingeladen. Ein UN-Sprecher nannte das Video "verstörend". Der Vorfall sei aber bekannt und damals in einem Bericht festgehalten worden.

Das nach fünfeinhalb Jahren plötzlich aufgetauchte Video wirft nun aber auch die Frage auf, ob es einen Zusammenhang zwischen diesem Vorfall und dem einige Monate später recht überhasteten Abzug der österreichischen Blauhelme vom Golan gibt. Offiziell war Österreichs Rückzug mit einer Verschlechterung der Sicherheitslage nach Beginn des Syrienkriegs 2011 begründet worden. In den Salzburger Nachrichten verteidigt ein früher auf den Golanhöhen stationierter österreichischer Soldat seine Kameraden. "Der Befehl lautete. Nicht einmischen", sagt er. Deshalb hätten die Soldaten "zu 100 Prozent korrekt gemäß unserem Auftrag gehandelt." Wenn sie die Polizisten gewarnt hätten, wären sie selbst "auf der Abschussliste der Bewaffneten" gelandet.

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Quelle:
SZ vom 30.04.2018
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