Süddeutsche Zeitung

Antisemitismus:Angreifer handelte in "religiösem Wahn"

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Im Oktober 2020 hatte ein Mann einen jüdischen Studenten vor der Hamburger Synagoge mit einem Spaten schwer am Kopf verletzt. Nun wurde der Täter verurteilt, er muss dauerhaft in die Psychiatrie.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Er wollte gerade die Hamburger Synagoge Hohe Weide betreten, als ihn dieser Schlag traf. Der Angreifer schlug ihm mit einem Kurzspaten auf den Kopf, das Opfer - ein jüdischer Student - trug eine Kippa und war auf dem Weg zum traditionellen Laubhüttenfest, am 4. Oktober 2020. Schwer verletzt wurde der 26-Jährige in ein Krankenhaus gebracht. Polizisten nahmen einen 29-Jährigen in Uniform fest, in seiner Hosentasche steckte ein Zettel mit einem aufgemalten Hakenkreuz. Am Freitag wurde der Angreifer vom Hamburger Landgericht wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt und dauerhaft in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

Es war nach nur drei Verhandlungstagen das erwartete Urteil. Die Strafkammer sprach den bei der Verkündung nicht anwesenden Angeklagten K. schuldig, er muss wegen seiner Erkrankung in die Psychiatrie statt ins Gefängnis. Er gilt der Justiz als psychisch kranker Einzeltäter. Der Beschuldigte, so hieß es nun, leide unter Wahnvorstellungen, die sich gegen das Judentum richteten. Von versuchtem Mord war nicht mehr die Rede.

Die Tat könne als antisemitisch bezeichnet werden, wird die Vorsitzende Richterin Birgit Woitas aus der öffentlichen Urteilsverkündung zitiert. Es habe sich "um einen gezielten Angriff auf eine Person jüdischen Glaubens" gehandelt. Einer rechtsradikalen Bewegung habe der Täter jedoch nicht angehört, religiöser Wahn sei der Auslöser gewesen. Woher so eine Art von religiösem Wahn kam, konnte offenbar nicht geklärt werden.

Die Jüdische Gemeinde hätte sich eine tiefergehende Aufklärung gewünscht: Woher kommt so ein Wahn? Das Hakenkreuz sei laut der Mutter von K. ein Sonnensymbol gewesen. "Mir fehlt der Beitrag zur Prävention ähnlich gelagerter Fälle in der Zukunft", sagt Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. "Was ist denn bitte eine antisemitische Tat, wenn nicht eine Tat, die sich gezielt gegen Juden richtet?" Ein geistig gestörter Täter? Etwas naiv, findet Stricharz. Gestört sei eigentlich jeder, der gezielt Juden angreife.

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