Süddeutsche Zeitung

Südkorea:Regierung entkräftet Iran-Kritik des Präsidenten

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Das Außenministerium in Seoul schwächt kritische Worte des Regierungschefs Yoon Suk-yeol über Iran ab. Es geht um Südkoreas Interessen im Nahen Osten.

Von Thomas Hahn, Tokio

Yoon Suk-yeol hat aufregende Tage hinter sich. Seine Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verschaffte ihm als Südkoreas Präsident Eindrücke, die er in seinem alten Beruf als Staatsanwalt bestimmt nicht gewonnen hätte. Über die Eindrücke, die er selbst bei seinen Auftritten im Nahen Osten hinterlassen hat, lässt sich allerdings streiten - jedenfalls veröffentlichte die Regierung in Seoul am Dienstag zwei sehr unterschiedliche Statements dazu.

Das Industrieministerium berichtete, Unternehmen beider Länder hätten am Montag im Rahmen der Reise des Präsidenten 23 Absichtserklärungen und einen Vertrag im Gesamtwert von 6,1 Milliarden US-Dollar unterzeichnet. Gut für Südkorea.

Das Außenministerium hingegen stellte klar, man dürfe nicht alles wörtlich nehmen, was Yoon in Abu Dhabi gesagt habe. Am Sonntag hatte er Iran vor Soldaten der in den Emiraten stationierten koreanischen Akh-Einheit als "Feind und größte Bedrohung" der VAE bezeichnet. Das sei "nicht relevant" für die diplomatischen Beziehungen mit Teheran, wiegelte man ab. Nicht so gut für Südkorea.

Yoons Ausrutscher in Abu Dhabi war nicht sein erster

Yoon Suk-yeol, 62, ist ein Beispiel dafür, dass politische Quereinsteiger aus der bürgerlichen Elite nicht zwingend die besten Diplomaten sind. Bis zum Generalstaatsanwalt brachte er es nach dem Jura-Studium an der Eliteuniversität Seoul National University. Dann ärgerte er sich so sehr über die Rechtspolitik seines liberalen Vorgängers Moon Jae-in, dass er selbst die Macht übernehmen wollte. Als Kandidat der konservativen People Power Party gewann er im März 2022 die Präsidentschaftswahl mit knappem Vorsprung. Seit Mai ist er im Amt.

Der Ausrutscher in Abu Dhabi war nicht sein erster. Vergangenen September entfuhr ihm in New York vor laufender Kamera ein Schimpfwort. Yoon dementierte, dass er damit seinen Ärger über den US-Kongress und Präsident Joe Biden wegen eines geplanten Antiinflationsgesetzes ausgedrückt habe. Aber sein ungeschliffenes Temperament wurde deutlich. Und jetzt hat er mit einer Ansprache das Verhältnis zu einer anderen Nation getrübt.

Südkorea hat Wirtschaftsinteressen im Nahen Osten, und wie jede Exportnation ist der Tigerstaat dabei nicht wählerisch. Dass er die Nähe zu den autoritär regierten VAE sucht, liegt nahe. Das Land ist eines der reichsten der Welt und wie Südkorea ein wichtiger Verbündeter der USA.

Die Bilanz des viertägigen Yoon-Besuchs erzählt von einer blühenden Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Verteidigung oder jüngerer Industriezweige wie der Herstellung von grünem Wasserstoff. Die VAE gaben bekannt, 30 Milliarden US-Dollar in Südkoreas Waffen- und Energieindustrie, darunter die Kernenergie, zu investieren. Und Seoul teilte mit, dass weitere Treffen zwischen südkoreanischen und VAE-Unternehmen zu Projekten im Wert von elf Millionen Dollar führen werden.

Zu den Protesten in Iran und der Gewalt der Regierung schweigt Südkorea

Das Verhältnis zu Iran ist schwieriger. Südkoreas Regierung missfällt dessen Atomwaffenprogramm und Teherans Nähe zu Nordkorea. Aber Geschäfte machen will sie schon. Vermutlich war deshalb von Yoon nichts zu hören, als im Herbst die Gewalt der iranischen Regierung gegen Frauen zu anhaltenden Protesten führte. Die 22-jährige Mahsa Amini war zuvor in Haft gestorben, nachdem sie aus Sicht der Sittenpolizei ihren Hidschab falsch getragen hatte.

Auch als die iranische Kletterin Elnaz Rekabi anscheinend unter Druck abreisen musste, nachdem sie bei einem Wettkampf in Südkoreas Hauptstadt ohne Hidschab angetreten war, gab es keine Reaktion. Das Magazin The Diplomat schrieb von "Südkoreas ohrenbetäubendem Schweigen".

Beim Treffen mit den Soldaten der Akh-Einheit war Yoon Suk-yeol dafür deutlich. "Die Sicherheit der VAE, die unser Bruderland sind, ist auch unsere Sicherheit", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Yonhap, "der Feind und die größte Bedrohung für die VAE ist Iran, während unser Feind Nordkorea ist. Wir befinden uns in einer sehr ähnlichen Lage wie die VAE."

Es gibt diverse Konflikte zwischen den VAE und Iran, aber zuletzt setzten die Emirate eigentlich wieder auf Annäherung. Mit dem kalten Krieg zwischen dem freien Südkorea und dem sozialistischen Nordkorea ist das Verhältnis jedenfalls nicht zu vergleichen. Teheran reagierte kühl: Man werde sich die "einmischenden Kommentare" anschauen und erwarte eine Erklärung.

Das Außenministerium in Seoul versuchte, den Worten des Präsidenten die Härte zu nehmen. Yoon habe nur die Soldaten ermutigen wollen, teilte es in einer Textnachricht an Reporter mit und verbat sich eine "unnötige Überinterpretation".

Im Grunde sagte das Ministerium damit, dass man den eigenen Staats- und Regierungschef im vorliegenden Fall nicht ernst nehmen dürfe. Kein gutes Zeugnis für den Präsidenten Yoon Suk-yeol.

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