Süddeutsche Zeitung

Südafrika:Stufe um Stufe

Lesezeit: 2 min

Südafrika hat die wohl härtesten Beschränkungen weltweit. Nicht einmal Joggen ist erlaubt. Nun will das Land nach einem ungewöhnlichen System behutsam lockern.

Von BERND DÖRRIES, Kapstadt

So gehe es nicht weiter, sagte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa am Donnerstagabend in einer Fernsehansprache. "Unsere Leute müssen essen, sie müssen ihren Lebensunterhalt verdienen können." Er kündigte an, die strengen Ausgangsbeschränkungen, unter denen das Land seit vier Wochen ächzt, zum 1. Mai zu lockern. Und stellte gleichzeitig ein Fünfstufenmodell vor, das es auch in ähnlicher Form in Neuseeland gibt, aber sonst offenbar einmalig ist auf der Welt. Faktoren wie die Höhe der Neuinfektionen und die Aufnahmefähigkeit des Gesundheitssystems bestimmen, welche Gefährdungsstufe ausgerufen wird. Jede Phase ist mit bestimmten Lockerungen verbunden - oder mit der Rückkehr zu Einschränkungen, sollte sich die Situation wieder verschlechtern. Die Stufen können für das ganze Land gelten oder nur für einzelne Regionen.

Derzeit befindet sich Südafrika noch in Stufe fünf, mit den wohl härtesten Beschränkungen weltweit: Arbeiten dürfen nur Personen, deren Berufe als dringend notwendig gewertet werden, alle anderen müssen zu Hause bleiben. Joggen ist genauso verboten wie den Hund auszuführen und Alkohol zu kaufen. Von 1. Mai an soll es einige Lockerungen geben, es dürfen weitere Geschäfte öffnen und Wirtschaftszweige den Betrieb wieder aufnehmen, teilweise aber nur mit einem Drittel der Beschäftigten.

Ramaphosa machte aber auch klar, dass es noch ein weiter Weg zur Normalität sei. "Unser Land und die Welt, in der wir leben, werden nie wieder dieselbe sein", sagte er am Donnerstag.

Für viele Südafrikaner ist dies längst Realität. Medizinisch gesehen ist die harte Strategie der Eindämmung ein Erfolg, am Freitag waren knapp 4000 Menschen nachweislich mit dem Virus infiziert und 75 verstorben, weit weniger als in den düsteren Prognosen. Die Regierung hat nun Zeit gewonnen, in Messehallen werden riesige provisorische Krankenhäuser aufgebaut, Masken hergestellt und die Testmöglichkeiten verbessert, auf mittlerweile fast 10 000 am Tag. Fast 30 000 Gesundheitsarbeiter sind im ganzen Land unterwegs, um in den dicht besiedelten Gebieten Bewohner auf Symptome zu untersuchen. All das sei vorbildlich, lobte die Weltgesundheitsorganisation.

Der Preis für die Einschränkungen in allen Lebensbereichen ist aber für große Teile der Bevölkerung brutal. Etwa eine Million Menschen sollen nach Schätzungen ihre Arbeit verloren haben, Südafrika hatte bereits vor der Corona-Pandemie eine Arbeitslosigkeit von 38,7 Prozent, jetzt steuert der Wert auf die 50-Prozent-Marke zu. Nach Berechnungen der University of Cape Town haben bis zu fünf Millionen Haushalte, die von Tätigkeiten im informellen Sektor abhängig sind, kein oder kaum noch Einkommen.

Die Regierung hat deshalb ein 20-Milliarden-Euro-Hilfsprogramm gestartet, das die Schwächsten der Gesellschaft unterstützen soll, von denen es sehr viele gibt in Südafrika, mehr als ein Drittel der 58 Millionen Einwohner bezieht staatliche Hilfen: Arbeitslose sollen nun etwa 20 Euro im Monat bekommen, Familien mit Kindern denselben Betrag. Für viele wird es dennoch nicht reichen, etwa 20 Millionen Menschen könnten unter unsicherer Lebensmittelversorgung leiden, in mehreren Townships gab es gewaltsamen Protest und Plünderungen, weil von der Regierung versprochene Lebensmittelpakete nicht ankamen. Teilweise sollen korrupte Politiker die Hilfe abgezweigt haben.

In vielen Städten versuchen nun private Initiativen die Lücke zu schließen und kochen für Bedürftige. Das Land stehe erst am Anfang der Pandemie, sagte Präsident Ramaphosa.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4887397
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.04.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.