Süddeutsche Zeitung

Südafrika:Die Macht schwindet

Das Wahlergebnis ist mehr als ein Denkzettel für den ANC.

Von Bernd Dörries

In fast jedem anderen Land der Welt wäre es ein fantastischer Sieg: Jene 57 Prozent, die dem ANC in Südafrika prognostiziert werden, sie wären fast überall ein Anlass zum Überschwang. In Südafrika sind die 57 Prozent für den ANC das schlechteste Ergebnis seiner Geschichte.

Aus der Distanz kann man sich fragen, warum überhaupt immer noch so viele Menschen den ANC gewählt haben, der auf allen Ebenen von Korruption zerfressen ist. Aber für viele Wähler in den vor allem ländlichen Gebieten gehört die ehemalige Befreiungsbewegung halt zur Familie. Man verlässt sie nicht, so wie man auch die Kirche nicht wechselt oder den Fußballverein. Die Wahl hat aber auch gezeigt, dass nur noch die so denken, die die Apartheid selbst erlebt haben. Der ANC spielt in den nachfolgenden Generationen eine immer kleiner werdende Rolle, die Hälfte der unter 30-Jährigen ließ sich nicht einmal mehr in die Wahllisten eintragen. Präsident Cyril Ramaphosa ist somit womöglich die letzte Chance für eine Erneuerung der Partei.

Die schwachen 57 Prozent sind kein Urteil über seine bisherigen Bemühungen, den ANC zu säubern, sondern eines über die korrupte Erblast seiner Vorgänger. Der Reformer hätte sich sicher ein besseres Ergebnis erhofft, es reicht aber aus, um die Aufräumarbeiten nun zu intensivieren.

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Quelle:
SZ vom 10.05.2019
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