Süddeutsche Zeitung

Wahl in Südafrika:Deutliche Verluste für den ANC

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Von Bernd Dörries, Kapstadt

Die Wahlberichterstattung in Südafrika sieht nicht viel anders aus als die in Deutschland. Nach den ersten Ergebnissen bekommen die Vertreter der Parteien ein Mikrofon unter die Nase gehalten und sollen diese kommentieren: Nicht wenige sagten am Mittwochabend und Donnerstagmorgen das, was ihre Kollegen in Berlin auch so von sich geben, vor allem, wenn die Resultate nicht so sind, wie man sich das erhofft hatte: Man müsse das endgültige Ergebnis abwarten, keine voreiligen Schlüsse ziehen, alles in Ruhe in den Gremien besprechen.

Die Partei warte auf die endgültigen Ergebnisse, sagten auch die Sprecher des ANC nach der Parlamentswahl vom Mittwoch im Fernsehen. Unter ihnen liefen die ersten Hochrechnungen ein, wonach die Partei erstmals unter der 60 Prozent-Marke rutschte. Nach Berechnungen des Nachrichtenportals news24 kommt der ANC auf 57,1 der Stimmen, es ist das schlechteste Ergebnis in seiner Geschichte, ein Verlust von fünf Prozentpunkten im Vergleich zu 2014, und sogar zwölf, wenn man die Wahl 2004 als Vergleich nimmt. Die größte Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) bleibt mit etwa 22 Prozent fast stabil und konnte nicht in größerem Umfang von den Korruptionsskandalen der Regierungspartei ANC profitieren, der erneut die Mehrheit der Parlamentssitze bekommen und Amtsinhaber Cyril Ramaphosa wieder zum Präsidenten wählen wird.

Viele Wähler blieben einfach zu Hause

Der hatte im Februar die Nachfolge des durch zahllose Korruptionsaffären belasteten Jacob Zuma angetreten, mit dem Versprechen, das Land in eine neue Zeit zu führen. Der Kampf gegen Inkompetenz und Korruption im ANC steht erst am Anfang, zahlreiche stark belastete Mitglieder stehen auf der Wahlliste für das Parlament ganz oben, darunter einige Minister. Viele Unterstützer von Ramaphosa hatten daher auf ein deutliches Ergebnis von mehr als 60 Prozent gehofft, das ihm ein robustes Mandat im innerparteilichen Machtkampf verliehen hätte.

Danach sieht es nun aber nicht aus, Ramaphosa konnte das Resultat aber zumindest im Vergleich zur vergangenen Regionalwahl 2014 verbessern, damals war der ANC auf 54 Prozent eingebrochen. Auch wird die Partei aller Voraussicht nach die wichtige Provinz Gauteng halten können, in der die Metropolen Johannesburg und Pretoria liegen. Dennoch wendeten sich die Wähler massenhaft vom ANC ab. Außer den Economic Freedom Fighters (EFF), die für eine radikale Umverteilung der Reichtümer des Landes eintreten und der weißen Freedom Front Plus auf der anderen Seite des Spektrums, konnte keine der größeren Parteien ihre Anteile signifikant steigern: Die EFF kommt in Hochrechnungen auf fast zehn Prozent, 2014 hatte sie 6,35 Prozent erreicht.

Anstatt sich der Opposition zuzuwenden, blieben aber viele Wähler einfach zu Hause. Offiziell wird die Wahlbeteiligung mit etwa 64 Prozent angegeben, vor fünf Jahren waren es noch 73 Prozent. Allerdings sind die Zahlen irreführend, die Wahlbeteiligung ist in Wahrheit viel niedriger. Um an der Abstimmung teil zu nehmen, muss man sich in Südafrika extra registrieren, es gibt keine Meldepflicht wie in Deutschland. Von den 35,8 Millionen Einwohnern im Wahlalter haben sich aber nur 74,6 Prozent in die Listen eintragen lassen, von denen dann jene von der Wahlbehörde genannten etwa 64 Prozent auch zur Wahl kamen - letztlich haben also nur etwa die Hälfte aller Menschen im Wahlalter abgestimmt. Besonders unter jungen Bürgern ist die Abstinenz von der Wahlurne dramatisch. Nach Angaben der Statistikbehörde ließen sich nur 18.5 Prozent der Erstwähler zwischen 18 und 19 Jahren registrieren, zwischen 20 und 29 nur etwa jeder zweite. Letztere Zahl entspricht ziemlich genau der Jugendarbeitslosigkeit im Land.

Ramaphosa muss einen Kompromiss zwischen radikalen Positionen finden

Ramaphosa will in seiner ersten vollen Amtszeit nun vor allem die Wirtschaft ankurbeln, unter seinem Vorgänger war das am stärksten industrialisierte Land Afrikas vorübergehend in eine Rezession gerutscht, die Währung hatte dramatisch an Wert verloren. Internationale Investoren sorgen sich aber um eine mögliche Verfassungsänderung, mit der die Enteignung von Land auch ohne Entschädigung möglich sein soll - eine Forderung der radikalen EFF, der sich auch der ANC anschloss. Ramaphosa betonte immer wieder, wenn überhaupt Land enteignet werde, dann keine funktionierenden landwirtschaftlichen Betriebe oder Wirtschaftsunternehmen.

Kritiker verweisen auf das Nachbarland Simbabwe, wo der Diktator Robert Mugabe Tausende weiße Farmer aus dem Land warf und so den Niedergang beschleunigte. Für Ramaphosa wird es wohl die entscheidenden Frage sein, einen Kompromiss zu finden zwischen dem Recht auf Eigentum und einer von vielen ANC- und EFF-Wählern geforderten Umverteilung der Reichtümern des Landes, die weiter vor allem Weißen gehören.

Mit Spannung wird auch ein Bericht des Integritätskomitees des ANC erwartet, der über die Eignung von durch Korruptionsaffären belasteten Mitgliedern für politische Ämter entscheiden soll. Nach Berichten von verschiedenen südafrikanischen Medien soll darin auch Vize-Präsident David Mabuza als "problematisch" eingestuft werden. Folgt Ramaphosa dieser angeblichen Einschätzung, wäre das tatsächlich die von ihm angekündigte Zeitenwende.

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Quelle:
SZ vom 10.05.2019
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