Süddeutsche Zeitung

Südafrika:Wut und Boden

Lesezeit: 2 min

Weiße besitzen und verdienen in Südafrika noch immer sehr viel mehr als Schwarze. Eine Landreform ist daher überfällig. Doch sie muss klug angegangen werden, damit Südafrika nicht wie Simbabwe im Elend endet.

Kommentar von Bernd Dörries

Als die ersten holländischen Siedler 1652 am Kap der Guten Hoffnung ankamen, merkten sie bald, dass sie nicht die ersten waren. Sie bauten ein Fort und pflanzten eine stachlige Mandelhecke, damit das Vieh der Ureinwohner, der Khoikhoi, nicht durch ihre Gärten trampeln konnte. Ein Teil der Hecke steht noch heute, ist so präsent, wie die Folgen des kolonialen Landraubs. Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Apartheid besitzen Weiße in Südafrika 72 Prozent des privaten Farmlandes, obwohl sie nicht einmal zehn Prozent der Bevölkerung stellen; und selbst wenn man jene 13 Prozent aller Flächen mit einkalkuliert, die den traditionellen schwarzen Königen gehören, es bleibt ein eklatantes Ungleichgewicht.

Das ungleichste Land der Welt, nennt ein Bericht der Weltbank Südafrika, in dem ein Weißer im Schnitt fünf Mal so viel verdient wie ein Schwarzer. Ist das die neue Freiheit?, fragen sich vor allem junge Schwarze, die in Massen der Wahl fernblieben; oder radikalere Kräfte wählten, wie die Economic Freedom Fighters (EFF), die Partei der Umverteilung. "Unser Land. Unsere Jobs", war ihr Wahlslogan. Auf ihr Drängen hin will das Parlament bald eine Verfassungsänderung beschließen, die es ermöglichen soll, Land entschädigungslos zu enteignen.

Wer weiß, was die Zukunft bringt in diesem ungleichen Land

Der Gesetzestext nennt keine Farben, aber es handelt sich um weißes Land. Es wird eine der großen Herausforderungen für Präsident Cyril Ramaphosa, diesen Prozess so zu gestalten, dass er das Land als Ganzes voranbringt. Und nicht in den Abgrund stürzt, wie die Nachbarn in Simbabwe, die die weißen Farmer verjagten und nun Pleite sind.

Das will in Südafrika niemand, aber wer weiß, was die Zukunft bringt, in einem Land, in dem die Reichtümer so ungleich verteilt sind. Ob eine Landreform das ändert, kommt auf deren Umsetzung an. Ziel des ANC nach Ende der Apartheid war es, 30 Prozent des Farmlandes neu zu verteilen, geschafft haben sie acht. Weißen Farmern wurde ihr Land zu Marktpreisen abgekauft und an schwarze Einzelpersonen oder Kollektive gegeben. Manchmal entstanden daraus gesunde Betriebe, oft endete es im Desaster, liegen einst funktionierende Farmen brach. Weil Wissen fehlt und das Geld für Investitionen und manchmal auch der Wille. So weiterzumachen, wäre ein Fehler.

Herausforderungen auch in den Städten

Gleichzeitig müssen historische Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Dazu muss aber die Art der Umverteilung verändert werden. Die neuen Eigentümer sollten ihr Land auch wirklich besitzen dürfen, statt des bisherigen Systems der langfristigen Pachten sollte es echtes Eigentum geben. Mit einer Urkunde, mit der man auch Kredite bei der Bank bekommt oder das Land verkaufen kann, wenn man selbst keine Lust darauf hat, Bauer zu sein. Was, wie überall, bei den meisten jungen Leuten der Fall ist.

Bisher konzentriert sich die Landdebatte vor allem auf die Farmen, die Herausforderung liegt aber auch in den Städten. Die Vorstellung, dass aus der eigenen Scholle auch Jobs entstehen, lässt sich hier nur schwer verwirklichen. Es gebe andere Möglichkeiten, für Gerechtigkeit zu sorgen. Eine höhere Grundsteuer oder ein Solidaritätszuschlag für Reiche. Die Einnahmen müssten dann aber in Bildung und Unterkünfte fließen. Nicht in die Tasche der korrupten ANC-Elite.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4440711
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 11.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.