Stuttgart 21:Bahnchef wirft Grünen "Volksverdummung" vor
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Während der Protest gegen Stuttgart 21 weitergeht, schlägt die Bahn härtere Töne an: Konzernchef Grube bezichtigt die Grünen der Wählertäuschung. Die Partei habe "nicht ehrlich" mit den Bürgern über das Bahnprojekt gesprochen.
Bahn-Chef Rüdiger Grube hat den Grünen im Zusammenhang mit dem umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 Wählertäuschung und Volksverdummung vorgeworfen. Der Partei sei vor der Landtagswahl bekannt gewesen, dass sie nicht aus den vereinbarten Verträgen für den unterirdischen Bahnhof herauskomme, kritisierte Grube am Dienstagabend bei einer Veranstaltung in Hamburg. "Alles andere, was sie gemacht haben, ist Volksverdummung und ist Wählerfängerei. Man hat nicht ehrlich mit den Wählern gesprochen", sagte Grube.
Zugleich drohte er der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg indirekt mit einer Klage. Der Vertrag von Bund, Land, Stadt Stuttgart und Bahn enthalte keine Rücktrittsklausel. Jede der Parteien habe sich verpflichtet, projektfördernd zu agieren. "Wenn jemand dieser Pflicht zur Förderung des Projektes nicht nachkommt, den muss ich dann verklagen", fügte der Bahnchef hinzu.
Auch Projektgegnern, die mit ihren Protesten die Arbeiten verzögern, drohte Grube. Wenn durch die andauernden vehementen Proteste Termine nicht gehalten werden könnten, würden der Bahn Mehrkosten entstehen. An diesen müssten sich dann auch die Gegner des Milliardenprojekts beteiligen. "Warum soll ich für Verspätungen zahlen, die ich nicht verursacht habe?", fragte er.
Bahn kündigt umfangreiche Bauarbeiten an
Derweil wurden die Bauarbeiten an dem Bahnhof am Mittwoch erneut behindert. Etwa 70 Demonstranten blockierten am Morgen vorübergehend eine Zufahrt zur Baustelle, wie die Polizei in Stuttgart mitteilte. Am Dienstag hatte die Bahn nach zweimonatigem Baustopp die Arbeiten an der Baustelle wieder aufgenommen.
Das Unternehmen kündigte am Mittwoch weitere umfangreiche Bauarbeiten an dem umstrittenen Projekt an. In der Stadt wird ein 17 Kilometer langes Rohrleitungsnetz aufgebaut, um Grundwasser aus den Baugruben zu pumpen. Rund ein Kilometer des Leitungsnetzes werde durch Wohngebiet verlaufen. Die Bahn will den Angaben zufolge zudem den Südflügel des Bahnhofs für den Abriss vorbereiten, im Park dahinter den Bestand an schützenswerten Fledermaus-Vorkommen prüfen und die Vorbereitungen für den Bau eines unterirdischen Technikgebäudes voranbringen. Zudem werden für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm drei Brückenbauten ausgeschrieben, wie Bahnprojekt-Sprecher Wolfgang Dietrich sagte.
Gegner drohen mit verstärkten Protesten
Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 drohte unterdessen an, seine Proteste zu verstärken. Sollten die Bagger im Sommer den Südflügel des Bahnhofs einreißen und im Park große Bäume gefällt werden, werde es ähnlich heftige Aktionen geben wie vergangenes Jahr, sagte Bündnis-Sprecher Hannes Rockenbauch in Stuttgart. Mit den wiederaufgenommenen Bauarbeiten rings um den Bahnhof riskiere die Bahn, alles Vertrauen und den sozialen Frieden in der baden-württembergischen Landeshauptstadt zu verspielen. Für den 9. Juli plane das Bündnis eine weitere Großdemonstration. Die Projektgegner fordern einen Baustopp bis Herbst und ein neues Planfeststellungsverfahren für einen Teil des Bahnhofsneubaus.
Die baden-württembergischen Grünen unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann lehnen das Milliardenprojekt ab. Ihr Regierungspartner SPD befürwortet es dagegen. Die Entscheidung soll eine Volksabstimmung im Oktober bringen.
Die Landesregierung hatte gefordert, die Bauarbeiten wenigstens bis Mitte Juli weiter ruhen zu lassen. Dann soll das Ergebnis des mit Hilfe des Schlichters Heiner Geißler vereinbarten Belastungstests für den Bahnhof vorgelegt werden. Für einen Aufschub der Arbeiten hatte die Bahn allerdings 56 Millionen Euro pro Monat verlangt; die Landesregierung lehnte die Zahlung ab.