Süddeutsche Zeitung

Streit um Visavergabe:Erdoğan verweigert US-Botschafter Abschiedsbesuch

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Im Visa-Streit mit den USA greift der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nun den scheidenden US-Botschafter in der Türkei scharf an. Er erkenne John Bass nicht mehr als offiziellen Vertreter Washingtons an, sagte Erdoğan bei einem Besuch in Serbien.

Der Botschafter, der demnächst nach Afghanistan entsandt wird, mache derzeit seine Abschiedsbesuche, sagte Erdoğan der türkischen Hürriyet zufolge. "Aber weder unsere Minister noch der Sprecher des Parlaments noch ich selbst haben diese Abschiedsbesuche akzeptiert, da wir ihn nicht als den Repräsentanten der USA in der Türkei sehen."

Auslöser des Affronts ist ein Streit um die Visa-Vergabe zwischen Ankara und Washington. Die Türkei hatte am vergangenen Mittwoch einen türkischen Mitarbeiter des US-Konsulats in Istanbul festnehmen lassen. Die türkische Justiz wirft diesem vor, zur verbotenen Gülen-Bewegung zu gehören und Spionage zu betreiben. Die USA weisen die Vorwürfe als unbegründet zurück.

Die US-Regierung hatte am Sonntag mit Visa-Sanktionen auf die Festnahme reagiert. Sie setzte vorerst die Vergabe temporärer Visa aus, also für Arbeitsbesuche oder Reisen. Nur Visa für dauerhafte Aufenthalte türkischer Staatsbürger in den USA sollten noch bearbeitet werden. Die türkische Regierung kündigte daraufhin ebenfalls einen vorläufigen Visa-Stopp für US-Bürger an.

Erdoğan warf nun US-Botschafter Bass vor, sich nicht ausreichend mit dem türkischen Außenminister abgesprochen zu haben. "Wenn der Botschafter ohne Absprache handelte, sollte ihn die US-Regierung nicht eine Minute mehr auf seinem Platz belassen."

US-Botschafter: Visa-Sanktionen nicht leichtfertig erlassen

Während das Weiße Haus und das US-Außenministerium sich nicht mehr zu dem Streit mit der Türkei äußerten, veröffentlichte Bass am späten Montagabend auf Youtube eine Videobotschaft. Darin sagte er, die türkische Regierung habe der US-Botschaft keine Beweise dafür vorgelegt, dass der festgenommene Mitarbeiter in irgendwelche illegalen Aktivitäten verstrickt gewesen sei. Er äußerte die Befürchtung, dass auch andere Mitarbeiter ohne Angabe von Gründen festgenommen werden könnten.

Die Entscheidung für die Visa-Beschränkungen sei nicht leichtfertig und mit großer Traurigkeit getroffen worden, sagte der Botschafter. Er hoffe, dass die Aussetzung des Visa-Services nicht lange anhalten werde. Zu diesem Zeitpunkt könne er nicht sagen, wie lange es dauern werde, um die Differenzen zu klären.

Die Türkei hatte die USA am Montag zur Rücknahme der Sanktionen aufgefordert. Ministerpräsident Binali Yıldırım erklärte, das Verhalten der US-Regierung gehöre sich nicht für einen Verbündeten. Beide Staaten sind Mitglied der Nato. Vor Abgeordneten der regierenden Partei AKP rief Yıldırım Amerika "zur Vernunft" auf und warf der US-Regierung vor, den Bürgern beider Staaten zu schaden.

Der Visa-Streit hatte am Montag zeitweilig zu einem Absinken des Leitindex an der Istanbuler Börse (Bist) geführt. "Das Problem muss natürlich so schnell wie möglich gelöst werden", sagte Yıldırım.

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