Süddeutsche Zeitung

Konjunktur:Die Weltwirtschaft taumelt

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Von Claus Hulverscheidt, New York

Unter Politikern, Finanzexperten und Managern wächst die Angst vor einer spürbaren Abkühlung der Weltkonjunktur. Ausgehen könnte der Abschwung diesmal statt von Europa oder den USA von aufstrebenden Ländern wie China und Brasilien, deren Bedeutung für die Weltwirtschaft drastisch gestiegen ist. Viele dieser Länder kämpfen mit massiven politischen und ökonomischen Problemen, die Folge sind sinkende Aktienkurse, Währungsturbulenzen und der Absturz des Ölpreises auf den niedrigsten Stand seit 2008.

Wie groß die Sorgen sind, zeigt das jetzt veröffentlichte Protokoll der letzten Ratssitzung der US-Notenbank Fed. Viele Experten hatten sich von dem Papier das klare Signal erwartet, dass die Fed im September ihre Null-Zins-Politik nach mehr als sieben Jahren beenden wird. Doch ganz offenkundig hat die Notenbank immer noch Zweifel daran, dass das wirtschaftliche Fundament in den USA stabil genug ist, um die erste Leitzinserhöhung seit 2006 und damit die Verteuerung von Krediten und Investitionen zu verkraften. Die Bedenken wiegen umso schwerer, als die Sitzung der Fed Ende Juli stattfand, also noch vor den hektischen Bemühungen Chinas um eine Stabilisierung der Konjunktur.

Während man in Peking mit gewaltigen Schuldenbergen und platzenden Spekulationsblasen kämpft, hemmen in Indien Bürokratie und eine miserable Infrastruktur das Wachstum. Russland leidet unter den im Ukraine-Konflikt verhängten westlichen Sanktionen, die Türkei und Südkorea schaffen es nicht, den Kurssturz ihrer Landeswährungen zu stoppen. Südafrika und Brasilien ächzen unter Korruption, Arbeitslosigkeit und Inflation. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Donnerstag bei einem Besuch in Brasilien, das Land müsse für bessere Investitionsbedingungen sorgen. Gelinge das, könne der Handel mit Deutschland spürbar zulegen.

Regierungen wird es schwerer fallen, zu helfen

Weltweit rätseln die Experten noch, ob die schwachen Konjunkturdaten in vielen Ländern ein vorübergehendes Phänomen oder tatsächlich Vorboten einer globalen Kehrtwende sind. Klar ist: Sollte es mit der Weltwirtschaft weiter bergab gehen, wird ein exportabhängiges Land wie Deutschland das zu spüren bekommen. Daran ändern auch positive Konjunkturmeldungen wie die im Juli erneut kräftig gestiegenen Steuereinnahmen von Bund und Ländern nichts: Da Steuern mit Verzögerung gezahlt werden, sagt ihr Aufkommen nur etwas über die vergangene, nicht aber über die künftige Wirtschaftsentwicklung aus.

Was die Politik umtreibt, ist, dass die Staatengemeinschaft für einen erneuten Konjunktureinbruch nicht gewappnet ist. Als die Weltwirtschaft 2008 in die Rezession geriet, bekamen Regierungen und Notenbanken die Lage mit teuren Konjunkturpaketen und drastischen Leitzinssenkungen schnell in den Griff. Seither aber sind vielerorts die Staatsschulden dramatisch gestiegen, während die Leitzinsen am Boden blieben. Für die Wiederholung einer konzertierten Stützungsaktion fehlten somit diesmal die Mittel. Entsprechend groß würde bei einer erneuten Krise der Druck auf die wenigen Länder, die noch finanziellen Handlungsspielraum haben - allen voran auf Deutschland.

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Quelle:
SZ vom 21.08.2015
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