Süddeutsche Zeitung

SPD in NRW: Hannelore Kraft:Die Frau, die sich nicht traut

Lesezeit: 3 min

Rundungen statt klarer Kante: Auf Hannelore Kraft ruhen die Hoffnungen der SPD in Nordrhein-Westfalen, doch der Landeschefin fällt es schwer, diese zu erfüllen.

Dirk Graalmann, Düsseldorf

Diese Dame ist gerade die Hoffnungsträgerin der deutschen Sozialdemokratie. Diese Frau soll der Partei neuen Mut einflößen, am 9. Mai, wenn in Nordrhein-Westfalen gewählt wird und die SPD nicht nur den Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) kippen, sondern zugleich auch die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit schleifen soll.

Es ist vielleicht etwas viel verlangt von Hannelore Kraft. SPD-Hoffnungsträger stellt man sich gemeinhin eher vor wie, naja, Sigmar Gabriel. Menschen, die aus dem Bauch heraus Politik machen, gern holzschnittartig vereinfachen, aber eben auch Spuren hinterlassen, selbst wenn die Fußabdrücke mal in unterschiedliche Richtungen weisen.

Hannelore Kraft ist eigentlich nicht so, sie wägt im Zweifel lieber so lange ab, bis nichts mehr hängenbleibt. Wenn man etwa mit Hannelore Kraft über die offene SPD-Wunde der Agenda 2010 spricht, sagt sie: Ja, man habe den Anspruch, "die Kümmerer-Partei zu sein, in den Augen der Menschen ein Stück weit verloren, aber das heißt ja nicht, dass wir alles falsch gemacht haben." Ein typisches "Ja, aber".

Sie ist damit weit gekommen. Am Freitag wird die 48-Jährige auf dem Landesparteitag als Vorsitzende der NRW-SPD wiedergewählt, tags darauf wird die Fraktionschefin zur Spitzenkandidatin gekürt. Auch für die Landtagswahl verspürt Kraft Aufwind, selbst eine rot-grüne Koalition - vor Monaten noch ein Fall für Utopia - scheint angesichts knapper Umfragen inzwischen wieder denkbar zu sein.

Scheu für dem radikalen Bruch

"Wir liegen gerade einmal vier Punkte hinter der CDU", sagt Kraft, "das ist zu schaffen." Aber weniger, weil die SPD zu alter Stärke zurückgefunden hat als vielmehr, weil die Rüttgers-CDU derzeit von einer Affäre in die nächste stolpert und die schwarz-gelbe Bundesregierung ihren Gegnern das Feld bereitet.

Gern arbeitet sich Kraft am NRW-Ministerpräsidenten ab, der bei seinen Vorstößen wie jüngst zur "Grundrevision" von Hartz IV nur "Begriffe und Überschriften benutzt, die durch nichts unterlegt sind." Ihre Angriffe legen zugleich ihr größtes Dilemma offen: Rüttgers ist zumindest präsent, Kraft dagegen - immerhin wie der CDU-Politiker stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei - wirkt merkwürdig defensiv.

Sie dringe "mit den Themen nicht durch", klagte Kraft im kleinen Kreis. Sie hat aufwendig programmatische Positionen erarbeitet, etwa zu Bildungspolitik und Kommunalfinanzen, aber es fehlt das eine große, tragende Projekt, das mit ihr in Verbindung gebracht wird. Auch bei den Hartz-IV-Gesetzen hatte die Mülheimerin frühzeitig Korrekturbedarf angemahnt, doch als große Gegnerin ist sie nicht in Erinnerung geblieben, weil sie im Zweifel den radikalen Bruch scheut.

"Ich war immer dagegen zu sagen: ,Wir hauen das jetzt alles in die Tonne und damit gewinnen wir Glaubwürdigkeit zurück", sagt Kraft. Es gebe "keine banalen Lösungen". Sie will keine Tabula rasa, nach der sich mancher Parteifreund insgeheim sehnt. "Verantwortlich neue Positionen entwickeln", heißt das bei ihr. Es klingt seltsam kraftlos. Dabei erzählt sie gern, dass sie für "klare Kante" stehe. Doch die Kanten haben bei ihr immer Rundungen.

So hält sie es auch bei der Machtfrage, der Frage nach den Koalitionsoptionen. Ja, die Linke in NRW sei "derzeit nicht regierungsfähig", sagt Kraft, gleichwohl will sie eine Koalition nicht formell ausschließen. Sie will das Bündnis nicht, aber sie scheut das letzte Risiko, alles auf eine Karte zu setzen. Kraft lässt bewusst die schmale Hintertür offen, damit es ihr nicht so ergeht wie der Bundes-SPD, die vor der Wahl ohne echte Machtoption dastand. Wer wählt schon eine SPD, die sich nur als Juniorpartner in eine große Koalition flüchten kann?

Sie sei "eine Getriebene", sagen Düsseldorfer Sozialdemokraten über ihre Frontfrau. Eine, die alles macht und dabei schon mal die große Linie vermissen lässt. Die Genossen meinen das gar nicht böse und der Eindruck ist so falsch nicht. Aber es ist weniger die Schuld von Hannelore Kraft, es gibt in der einst so stolzen NRW-SPD eben auch keine prägenden Gesichter.

So speist sich der Optimismus der SPD, bei der Wahl zu reüssieren, vor allem aus der Schwäche der anderen. "Natürlich hilft uns der Zustand von Schwarz-Gelb in Berlin", gesteht Kraft. Sollte die SPD in zehn Wochen doch gewinnen, hätte weniger Hannelore Kraft gesiegt, vielmehr hätten Rüttgers, Merkel und Westerwelle verloren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.21815
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.2.2010
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.