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Spanien:Premier auf Abruf

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Von Thomas Urban, Madrid

In Spanien steht Ministerpräsident Mariano Rajoy vor dem Verlust seines Amtes. Die Partei der baskischen Nationalisten PNV kündigte am Donnerstag im Parlament an, sie werde das Misstrauensvotum der sozialdemokratischen PSOE gegen den konservativen Regierungschef unterstützen. Auch die linksalternative Podemos will gegen Rajoy stimmen. Nach Medienberichten ist damit die absolute Mehrheit für die Abwahl Rajoys erreicht. "Wir glauben, wir erfüllen das, was die meisten Basken wünschen", sagte der Sprecher der PNV, Aitor Esteban, in der Debatte.

Im spanischen Parlament hatte am Donnerstag die Debatte über den Misstrauensantrag begonnen. Den Antrag hatten die oppositionellen Sozialisten (PSOE) eingebracht, Anlass waren die Urteile im Prozess gegen das korrupte Netzwerk "Gürtel". Mehrere Politiker der von Rajoy geführten konservativen Volkspartei (PP) müssen für viele Jahre ins Gefängnis. Das Gericht befand auch, dass Rajoys Behauptung nicht glaubwürdig sei, von den Machenschaften nichts gewusst zu haben. Rajoy führt ein Minderheitskabinett, es wurde bislang von der liberalkonservativen Bürgerpartei (Ciudadanos) und den fünf Abgeordneten der Baskischen Nationalistischen Partei (PNV) gestützt.

So haben beide Parteien Mitte Mai Rajoy die Mehrheit für seinen Haushaltsentwurf gesichert. Die PNV hatte dabei in den Verhandlungen weitere Subventionen für die Region über 540 Millionen Euro herausholt. Doch am Donnerstag teilte der PNV-Vorstand mit, dass die PNV-Abgeordneten Rajoy das Misstrauen aussprechen würden; PSOE-Chef Sánchez hatte zuvor zugesichert, dass er als neuer Regierungschef den Haushaltsentwurf akzeptieren würde.

Die Wirtschaft wächst. Dennoch kam Rajoy nicht gut an

Rajoy regiert seit 2011. Er hatte Spanien mit einem harten Sanierungsprogramm aus der Wirtschaftskrise geführt. In seiner Amtszeit ist die Arbeitslosigkeit auf 15 Prozent gesunken, die Wirtschaft wächst. Trotzdem verlor Rajoys Volkspartei bei den letzten Wahlen vor zwei Jahren erdrutschartig, seitdem führt er eine Minderheitsregierung. Rajoy war bislang der wichtigste südeuropäische Verbündete der Bundesregierung und der EU-Kommission.

Doch den Konflikt um Katalonien hat er nicht gelöst, sondern im Gegenteil durch seine starre Haltung verschärft. Anstatt der Regionalregierung in Barcelona Kompromisse anzubieten, etwa beim umstrittenen Finanzausgleich, setzte er auf Konfrontation und überließ der Justiz die Lösung des Konflikts. Auch für den Sozialisten Sánchez stellt Katalonien ein besonderes Problem dar: Er lehnt die Sezession der Region von Spanien ab - doch ohne die Stimmen der katalanischen Abgeordneten hat sein Misstrauensantrag keine Chancen auf eine Mehrheit.

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SZ vom 01.06.2018
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