Süddeutsche Zeitung

Spanien:"Madrid ist keine Netflix-Serie"

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Eine linke Partei weist Avancen von Pablo Iglesias für ein Bündnis bei der Wahl in der Region Madrid brüsk zurück. Der Podemos-Chef gibt sein Amt als spanischer Vizeregierungschef auf, um dort gegen die "trumpistische" Rechte zu kämpfen.

Von Barbara Galaktionow, München

Mit einem überraschenden Schritt hat Pablo Iglesias für Unruhe im spanischen Politikbetrieb gesorgt. Der Chef der linksalternativen Partei Podemos kündigte am Montag an, sein Amt als Vizeministerpräsident niederzulegen, um bei den vorgezogenen Wahlen in der Region Madrid als Spitzenkandidat für seine Partei anzutreten. Die Demokratie werde durch eine "trumpistische" Rechte bedroht, und es sei notwendig, dieser entgegenzutreten, begründete Iglesias seinen Schritt. Er rief die Wahlliste Más Madrid dazu auf, ein linkes Wahlbündnis zu bilden, über dessen Führung noch entschieden werden müsse, sagte der 42-Jährige am Montag in einem auf Twitter veröffentlichten Video. Er müsse nicht an erster Stelle stehen.

Die konservative Madrider Regionalregierungschefin Isabel Díaz Ayuso (PP) hatte in der vergangenen Woche für den 4. Mai Neuwahlen in der Region angesetzt, vorgeblich, um einem Misstrauensvotum gegen sie zuvorzukommen. Umfragen zufolge kann die 42-jährige Ayuso, die sich vor allem in der Corona-Pandemie als Antipode zum sozialistischen Regierungschef Pedro Sánchez positioniert hat, zur Zeit damit rechnen, mit ihrer Volkspartei stärkste Kraft zu werden. Es wird vermutet, dass sie mit der ultrarechten Vox eine Regierung bilden könnte.

Auch Ayuso selbst scheut rechtspopulistische Töne nicht. Im TV-Sender Telecinco hatte sie auf eine Frage nach Vorwürfen ihrer Kritiker, sie stehe zu weit rechts, geantwortet: "Wenn sie dich als Faschistin bezeichnen? Dann stehst du auf der richtigen Seite der Geschichte." Als Regionalpräsidentin sei sie eben das Ziel von Attacken. Auf den kommenden Rückzug von Iglesias vom Amt des Vizeministerpräsidenten reagierte sie mit dem Satz: "Spanien schuldet mir etwas, ich habe Iglesias aus der Regierung geholt." Wie Iglesias sieht auch ihre Volkspartei nun klare Fronten im Madrider Regionalwahlkampf. Es gehe um "Kommunismus oder Freiheit", sagte PP-Chef Pablo Casado.

Más Madrid will sich nicht einspannen lassen

Iglesias wird diesen Kampf mit seiner Partei zunächst für sich allein führen müssen - so viel wurde an diesem Dienstag schon klar. Denn Más Madrid erteilte seinem Vorschlag nach einem gemeinsamen Antritt bei der Wahl eine klare Absage. Das Verhältnis der beiden ist grundsätzlich schwierig, wurde Más Madrid doch ebenso wie die landesweite Partei Más País von ehemaligen Podemos-Mitgliedern gegründet, die sich mit Iglesias über die politische Ausrichtung zerstritten hatten.

Doch es geht noch um etwas anderes. Die Partei zeigt sich keineswegs gewillt, für einen plötzlich auf der Bildfläche erscheinenden vermeintlichen Retter Platz freizuräumen. "Madrid ist keine Netflix-Serie", sagte Mónica García, Spitzenkandidatin von Más Madrid, in einem am Dienstag veröffentlichten Video. Sie arbeite seit langer Zeit für Madrid, auch in den kompliziertesten Zeiten. Während der vergangenen Corona-Monate habe sie als Ärztin gearbeitet und gleichzeitig Widerstand gegen die "wöchentlichen Pfuschereien von Ayuso" geleistet. "Frauen sind es müde, die schmutzige Arbeit zu machen, bis man uns in historischen Momenten bittet, zur Seite zu treten", sagte García. Sie wolle bei den Wahlen antreten und die nächste Regionalpräsidentin von Madrid werden.

In Umfragen steht Más Madrid bislang deutlich besser da als Podemos - die Partei drohte sogar an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Doch mit dem Einstieg von Iglesias als Spitzenkandidat dürfte sich die Gemengelage verschieben. "Es ändert sich praktisch alles", sagte der spanische Politologe Fernando Vallespín von der Universidad Autónoma in Madrid der SZ. Der Einzug von Podemos ins Parlament sei nun "vollkommen sicher", möglicherweise könnten sie jetzt sogar mehr Stimmen bekommen als Más Madrid, schätzte er.

Dass Más Madrid sich trotzdem gegen ein Bündnis mit Podemos entschieden hat, findet Vallespín nachvollziehbar. "Sie könnten vielleicht gewinnen, aber dann verlieren sie die Partei an Pablo Iglesias." Dieser hatte zwar in seiner Videobotschaft angeboten, auch ohne Führungsposition das Bündnis einzugehen, doch der Politologe hält das für wenig realitätsnah. "Iglesias kann nicht der zweite Mann sein", sagte Vallespín.

Den Wahlkampf führt nun jede Partei für sich, erst danach werden die linksgerichteten Parteien sehen, ob sie - vermutlich unter Führung der sozialistischen Partei PSOE - eine gemeinsame Regierung bilden können. In der spanischen Landesregierung scheint sich derweil die Nachfolgeregelung für Iglesias reibungslos zu gestalten. Das Verhältnis zwischen dem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und Iglesias war in jüngerer Zeit zunehmend schwierig. Obwohl selbst in der Regierung, hatte Iglesias eine "demokratische Normalität" in Spanien angezweifelt. Und auch im Konflikt um den inhaftierten Rapper Pablo Hasél zeigten sich gegensätzliche Positionen. Nun hat der Podemos-Chef vorgeschlagen, dass Arbeitsministerin Yolanda Díaz seinen Stellvertreter-Platz einnehmen soll, wenn er Ende April ausscheidet - Sánchez soll eingewilligt haben.

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