Süddeutsche Zeitung

Slowakei:Multimillionär soll Mord an Journalist Kuciak in Auftrag gegeben haben

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Von Tobias Zick, München

Unter Journalisten in der Slowakei hat Marián Kočner schon seit langem einen höchst zweifelhaften Ruf. Jetzt gibt es neue Hinweise, dass der Geschäftsmann in Verbindung mit einem Journalistenmord stehen könnte.

Kočner ist bekannt dafür, dass er auf kritische Fragen ausfällig bis aggressiv reagiert, das hat etwa der Investigativreporter Ján Kuciak erfahren, als er im vergangenen Jahr zu dessen Geschäftspraktiken recherchierte. Kočner drohte damals: "Ich werde anfangen, Herr Kuciak, mich für Ihre Mutter zu interessieren, für Ihren Vater, für Ihre Geschwister, ich werde mich um sie alle kümmern, und ich werde alles veröffentlichen, was ich über Sie finde, Herr Kuciak."

Kuciak hatte sich durch Recherchen diverse Feinde gemacht

Kuciak ging zur Polizei, zeigte Kočner wegen der Drohungen an, die Beamten wimmelten ihn ab: Was er vorbringe, stelle nicht einmal einen Bagatelldelikt dar. Gut vier Monate später, Ende Februar 2018, war Ján Kuciak tot. Polizisten fanden ihn und seine Verlobte Martina Kušnirova erschossen in dem Häuschen, das die beiden gerade zusammen renovierten, ein paar Wochen später hätten sie heiraten wollen. Das Motiv für die Tat, erklärte der Polizeipräsident, stehe "höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit den investigativen Arbeit des Journalisten".

Ján Kuciak hatte sich durch seine Recherchen diverse Feinde gemacht, der aufbrausende Geschäftsmann Marian Kočner war nur einer davon. Kurz vor seinem Tod hatte Kuciak über mutmaßliche Verbindungen italienischer Mafiaclans, die sich im Osten der Slowakei breitmachten, bis in höchste Regierungsebenen recherchiert. Sie führten ins engste Umfeld des damaligen slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, der Journalisten schon mal als "dreckige antislowakische Prostituierte" titulierte.

Der Skandal kostete Premier Fico das Amt

Der Journalistenmord ließ den Volkszorn hochkochen, der Skandal kostete Premier Fico das Amt, ebenso den Innenminister und den Polizeipräsidenten. Doch die Mordermittlungen schleppten sich ohne nennenswerte Fortschritte dahin. Bis Ende vergangener Woche: Da gab die Staatsanwaltschaft bekannt, sie habe vier Verdächtige im Fall Kuciak verhaftet. Einer von ihnen, ein gewisser Zoltán A., soll nun ausgesagt haben, der Geschäftsmann Marian Kočner habe den Auftrag zu der Tat gegeben. Das berichtet zumindest die Zeitung Dennik N unter Berufung auf Quellen aus dem Umfeld der Ermittlungen.

Fico, der frühere Premier und Noch-Vorsitzende der Regierungspartei Smer, meldete sich schon vor der Veröffentlichung zu Wort: In einer Pressekonferenz, bei der er keine Fragen zuließ, erklärte er, die Spur zu Kočner sei die bisher aussichtsreichste, die die Ermittler verfolgten. Und das zeige, schob Robert Fico per Video-Botschaft auf Facebook nach, dass es sich bei dem von Medien und der Opposition geschürten Verdacht, seine Partei sei für den Journalistenmord verantwortlich, um "Lügen" handle.

Für Ex-Premier Fico sind die Ermittlungen ungünstig

Doch selbst wenn tatsächlich Geschäftsmann Kočner, der seit Juni wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und Betrugs inhaftiert ist, als Auftraggeber überführt werden sollte, wäre das für Fico nicht günstig. Die beiden waren Nachbarn in einem Apartmentblock in Bratislava, und Kočner pflegte enge Verbindungen zu diversen hochrangigen Smer-Funktionären, etwa beim Skifahren im Erholungsort Donovaly. Und selbst wenn sich bestätigen sollte, dass die italienische Mafia nicht hinter dem Mord steckt: Die Erkenntnisse des Journalisten Kuciak zu Mafia-Verbindungen in Ficos Umfeld wären damit noch nicht widerlegt.

Unter slowakischen Journalisten werden die jüngsten Details mit skeptischer Zustimmung aufgenommen. Matúš Kostolný, Chefredakteur von Dennik N, sagte der SZ am Donnerstag: "Wenn die Ermittlungsbehörden tatsächlich jetzt glaubhafte Fortschritte bei der Aufklärung des Falls machen, dann sind das immerhin erste Schritte zu einer Wiederherstellung des zerstörten Vertrauens zwischen Staat und Bürgern."

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Quelle:
SZ vom 05.10.2018
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