Süddeutsche Zeitung

Seehofer:Kleingeist vom Walserberg

Wieder dauerhafte Grenzkontrollen? Seehofer ersetzt die Europahymne durch nationales Gebimmel.

Von Heribert Prantl

Im Strafgesetzbuch gibt es einen Tatbestand, der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" heißt. Wenn man Horst Seehofer reden hört, muss man daran denken. Es ist nicht irgendein Verstorbener, den er verunglimpft; es ist Franz Josef Strauß. Seehofer zerschlägt einen der klügsten Leitsprüche seines berühmten Vorgängers. Von dessen Motto "Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland, Europa unsere Zukunft", haut Seehofer den dritten Teil weg.

Er macht aus dem Straußschen Dreiklang einen Seehoferschen Zweiklang; an die Stelle europäischen Geistes tritt der Kleingeist vom Walserberg: dort, an der bayerisch-österreichischen und überall sonst an EU-Binnengrenzen will Seehofer dauerhafte Grenzkontrollen etablieren. Die Kontrollen waren, der Flüchtlinge wegen, als Ausnahme von den EU-Schengen-Regeln vorübergehend wieder eingeführt worden. Seehofer will die Ausnahme zur Regel machen; notfalls, sagt er, müsse der Brenner "dichtgemacht" werden. Abgesehen davon, dass Südtirol und Brenner seit 1814/15 nicht mehr bayerisch sind und die dortige Festung Franzensfeste heißt, nicht Horstensfeste - die Forderung ist törichter nationaler Symbolismus.

Die Grenzschließungen zerreißen Wirtschaftsräume; sie belästigen Bürger; sie gaukeln Sicherheit vor, die nicht so, sondern nur durch die Kontrolle der Außengrenzen herzustellen ist. Seehofer ersetzt die Europahymne durch Gebimmel.

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Quelle:
SZ vom 04.05.2017
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