Süddeutsche Zeitung

Schweiz: CD über Steuerhinterzieher:Die Machtworte verpuffen

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Die Kanzlerin und ihr Finanzminister Schäuble wollen die brisante Daten-CD erwerben - doch die Kritik aus der CDU reißt nicht ab. Die Gegner wiederholen den Hehlerei-Vorwurf und warnen vor einem falschen Signal.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die Erwägungen zum Kauf der gestohlenen Bankdaten aus der Schweiz verteidigt. Man unternehme "keinen Schnellschuss", sagte Schäuble am Montagabend im ZDF. Er habe den Schritt eingehend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Unionsfraktionschef Volker Kauder besprochen. Merkel hatte sich ebenfalls für den Kauf der Daten von mehr als 1500 deutschen Steuerhinterziehern in der Schweiz ausgesprochen.

Dies folge der Linie der Vorgängerregierung, der er als Innenminister angehört habe: "Wir können jetzt nicht das Gegenteil machen von dem, was wir vor zwei Jahren gemacht haben." Die Verfahren aus dem ersten Schwarzgeld-Skandal mit Liechtenstein seien noch nicht alle abgeschlossen, sagte Schäuble. Das Vorgehen von damals sei bisher aber auch noch von keinem Gericht in Zweifel gezogen worden.

"Wenn du klaust, kaufen wir es dir ab"

Allerdings reißt die Kritik an der Position von Kanzlerin und Finanzminister aus den eigenen Reihen keineswegs ab: Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), warnt aus rechtlichen Gründen ebenso vor einem Kauf der Daten wie der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert, die Vorschriften des Straf- und Steuerrechts zu präzisieren.

Siegfried Kauder sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, seiner Einschätzung nach "wären die Kontodaten in einem Strafprozess gegen betroffene Steuersünder nicht verwertbar". Steuern dürften nicht beigetrieben werden, indem die Finanzbehörden sich der Hehlerei schuldig machten.

"Das Risiko, damit vor Gericht auf die Nase zu fallen, ist aus meiner Sicht zu groß", sagte Kauder, dessen Bruder Volker Kauder die Unionsfraktion führt. "Der Staat würde sich auf juristisch außerordentlich vermintes Gelände begeben. Davon kann ich nur dringend abzuraten. Wir geben den Datendieben ein Signal: Wenn du klaust, kaufen wir es dir ab. Das sollte der Staat nicht tun", so Kauder weiter.

Lauk empfahl im Kölner Stadt-Anzeiger, den Anbieter der Daten zu verhaften. Der Staat dürfe die Informationen nicht kaufen, da er unter keinen Umständen zum Hehler werden dürfe. "Der Staat ist aber gehalten, alle ihm zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mittel anzuwenden: Der Mann ist in Haft zu nehmen."

"Der Zweck heiligt nicht die Mittel"

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: "Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Vieles spricht dafür, dass das Hehlerei ist. Wenn es rechtliche Zweifel gibt, muss die Bundesregierung ihre Finger davon lassen."

Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg, wollte im Bayerischen Rundfunk nicht von staatlicher Hehlerei sprechen. "Hier wird im Grunde eine Vergütung bezahlt, damit diese Daten in den Besitz des Staates kommen, und das muss man insgesamt prüfen."

Unterstützung, die angebotene CD mit Bankdaten von 1500 deutschen Steuerhinterziehern zu kaufen, bekamen Merkel und Schäuble unterdessen vom niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring, der in der Nordwest-Zeitung empfahl, man solle "zugreifen". Es sei zwar eine "komplizierte Abwägung", aber das Interesse der Bürger sei höher zu bewerten als der Schutz der Daten. Leider sei die Schweiz bisher nicht bereit gewesen, ein Doppelbesteuerungsabkommen zu schließen, kritisierte der CDU-Politiker. "Es gibt keinen Grund, in diesem Europa irgendwelche Steueroasen aufrechtzuerhalten."

Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wies moralische Bedenken zurück. "Wir haben bei organisierter Kriminalität immer wieder auf durchaus zweifelhafte Quellen zurückgegriffen, weil es eine Abwägung gab: Was ist wichtiger, wo wird das Recht mehr verletzt", sagte Nahles am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Auch in diesem Fall gebe es eine Abwägung. Die Interessen des Staates gingen jedoch vor, weil "grundsätzliche Gerechtigkeitsfragen" berührt seien. Die Sozialdemokratin betonte: "Jeder kleine Steuerzahler muss sich rechtfertigen, hat kein Pardon, wenn er Steuern nicht bezahlt."

"Dringende Klarstellung"

BDK-Chef Klaus Jansen forderte in der Neuen Osnabrücker Zeitung klare Regeln: "Steuerfahnder und Polizei müssen nach wie vor in einer rechtlichen Grauzone arbeiten, während kriminelle Prämienjäger immer öfter auf den Plan treten." Leider habe die Politik aus dem Fall Zumwinkel nichts gelernt und bis heute keine rechtlichen Konsequenzen gezogen. Nötig sei "dringend eine Klarstellung im Straf- und Steuerrecht zur Frage des Ankaufs von Bankdaten". Zudem müsse der Gesetzgeber klären, ob und inwieweit es Datenschutz für Steuerhinterzieher überhaupt geben könne.

Unions-Fraktionsvize Günter Krings argumentierte: "Es wäre gut, wenn wir die Daten erhalten und an die Steuersünder herankommen könnten." Der Staat dürfe aber nicht "ohne jede weitere Prüfung jede beliebige Geldforderung erfüllen", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Mit Straftätern zusammenzuarbeiten müsse eine absolute Ausnahme bleiben. "Wenn das Beispiel Schule macht, dann ist die Gefahr groß, dass die Täter doppelt abkassieren" - einerseits durch Erpressung der Steuerhinterzieher, andererseits durch Mittel vom Staat.

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