Süddeutsche Zeitung

Wahlkrimi in Schweden:Erst die Wahl, dann der Streit

Lesezeit: 2 min

Noch ist unklar, wer in Schweden regiert. Die Rechtspopulisten haben Ambitionen, die Liberalen haben etwas dagegen.

Von Kai Strittmatter, Stockholm

Nach den Parlamentswahlen am Sonntag hat Schweden noch keine erkennbare Regierungsmehrheit. Der am Montagmorgen errechnete Vorsprung von gerade mal einem Mandat für das bürgerlich-rechte Lager kann in den kommenden Tagen noch in die eine oder andere Richtung kippen. Das Land wartet nun gespannt auf den Mittwoch, wenn die Auszählung der Stimmen der Auslandsschweden beginnt und jener Bürger, die schon im Vorfeld des eigentlichen Wahltages abgestimmt hatten.

Der Unterschied zwischen beiden Lagern beträgt im Moment 47 000 Stimmen, die Zahl der noch auszuzählenden Stimmen wird auf mehr als 200 000 geschätzt. Beobachter geben dem rechten Lager größere Chancen auf einen Sieg, da bei vergangenen Wahlen die Auslandsschweden mehr ins bürgerliche Lager tendiert hatten. "Schweden scheint auf einen Machtwechsel hinzusteuern", spekulierte am Montag denn auch das traditionell den Sozialdemokraten nahestehende Boulevardblatt Aftonbladet. Es wäre das Ende der sozialdemokratischen Regierung von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson. Aber entschieden ist noch nichts.

Derweil begannen die Parteien sich am Montag zu positionieren nach einem ungewöhnlichen Wahlabend, der so oder so "eine neue Ära für Schweden" eröffnet habe, wie die Zeitung Göteborgs-Posten meinte. Nicht nur war dies die erste Wahl, vor der die bürgerlich-liberalen Parteien den bis dahin gemiedenen rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) eine Kooperation angeboten hatten - die SD schafften tatsächlich eine faustdicke Überraschung und überholten die bürgerlichen Moderaten in der Wählergunst. Im Moment liegen sie bei etwas mehr als 20 Prozent. "Klare Wahlsieger sind die Schwedendemokraten", stellte der öffentlich-rechtliche Sender SVT fest.

"Unglaublich lächerlich", ätzen die Schwedendemokraten

Ursprünglich war den Schwedendemokraten die Rolle als Unterstützerpartei angetragen worden, von der sich der bürgerlich-liberale Block wählen und tolerieren lassen wollte. Am Sonntag und Montag nun klang aus den Äußerungen führender SD-Politiker heraus, dass die Rechtspopulisten sich ihre neue Stärke gebührend honorieren lassen wollen. SD-Vorsitzender Jimmie Åkesson hatte am Sonntag schon gesagt, man wolle "in der Regierung sitzen". "Alles ist jetzt auf dem Tisch", sagte SD-Generalsekretär Richard Jomshof am Montag, der fand, man müsse jetzt auch über "den Posten des Ministerpräsidenten und über Ministerposten" für die SD sprechen. Vor vier Jahren noch habe man die Schwedendemokraten wie Ausgestoßene behandelt, schrieb Göteborgs-Posten. "Nun können sie den Ton angeben für die Regierungszusammenarbeit."

Dann begann auch schon das Gezänk. Die Liberalen, Teil des bürgerlichen Blocks und traditionell skeptisch den Rechtspopulisten gegenüber, gelobten umgehend, sich dem Minister-Ansinnen der SD in den Weg zu stellen: "Die Liberalen werden die Schwedendemokraten nicht in die Regierung lassen", sagte die liberale Europaparlamentarierin Karin Karlsbro dem schwedischen Rundfunk. Eine Einlassung, die SD-Generalsekretär Jomshof seinerseits als "unglaublich lächerlich" und "eine Art SD-Tourette" konterte.

Noch am Montagnachmittag traf SD-Parteichef Jimmie Åkesson in der Parteizentrale der Moderaten ein, um erste Modalitäten einer möglichen Zusammenarbeit auszuloten. Der erste Streit gleich am Montag zeigte aber, welch schwierige Regierungsverhandlungen die Schweden zu erwarten haben. Das gilt nicht nur fürs rechte Lager. Auch die Sozialdemokraten müssten im Falle einer Mehrheit scheinbar unversöhnliche Positionen ihrer Unterstützer von den Linken einerseits und von der wirtschaftsliberalen Zentrumspartei andererseits zusammenbringen.

Egal welche Seite gewinnt, sie wird wohl nur eine hauchdünne Mehrheit im Reichstag haben. Für die Stabilität des Landes sind das erst einmal keine allzu guten Aussichten. "Es könnte uns eine Amtszeit erwarten, die genauso chaotisch wird wie die, die wir gerade hinter uns gelassen haben", prophezeite der Kommentator des Senders SVT.

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