Süddeutsche Zeitung

Stockholm:Schwedische Regierung übersteht Misstrauensabstimmung

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Mitten im Streit mit der Türkei um die Nato-Aufnahme wendet Schweden eine Regierungskrise ab. Das Kabinett von Ministerpräsidentin Andersson bleibt im Amt - dank einer fraktionslosen Abgeordneten.

Mitten im Streit mit der Türkei um die Nato-Aufnahme und drei Monate vor einer Parlamentswahl hat Schweden eine Regierungskrise vorerst abgewendet. Ein von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten beantragtes Misstrauensvotum gegen Innen- und Justizminister Morgan Johansson scheiterte im schwedischen Parlament äußerst knapp an der nötigen Mehrheit. 174 Abgeordnete entzogen dem Minister ihr Vertrauen, 175 Stimmen wären notwendig gewesen, um Johansson zu stürzen.

Ministerpräsidentin Magdalena Andersson hatte mit dem Rücktritt ihrer gesamten Regierung gedroht, sollte der Innenminister die Abstimmung verlieren. Das hätte Schweden wenige Wochen nach seinem Antrag auf eine Nato-Mitgliedschaft in eine tiefe Regierungskrise gestürzt, die auch Folgen für das Nato-Prozedere gehabt hätte. Mitte September wird in Schweden gewählt, bis dahin wäre das skandinavische EU-Land wohl von einer Übergangsregierung ohne umfassende Befugnisse geführt worden.

Die Schwedendemokraten hatten das Misstrauensvotum angestrengt, da sie unzufrieden mit Johanssons Politik im Bereich der Kriminalität und Sicherheit sind. Schweden hat seit einigen Jahren ein Problem mit grassierender Bandenkriminalität. Wenige Monate vor der Wahl bringt ein solches Vorgehen aber auch öffentliche Aufmerksamkeit, von der sich die populistische Partei erhofft zu profitieren.

Erdoğan könnte der Vorgang in die Karten spielen

Entscheidend zugunsten Johanssons war die Enthaltung der linken Parteilosen Amineh Kakabaveh, die sich zuvor Zugeständnisse der regierenden Sozialdemokraten hatte machen lassen. Die kurdischstämmige Kakabaveh war im November mit der Partei von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson eine Vereinbarung eingegangen, die unter anderem eine Zusammenarbeit mit kurdischen Parteien und Organisationen beinhaltete - gerade das ist im Streit mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ein sensibles Thema.

Vertreter mehrerer anderer Parteien kritisierten am Dienstag den großen Einfluss der parteilosen Abgeordneten Kakabaveh auf die schwedische Politik. Diese warf im Parlament die Frage auf, ob die Türkei über Schwedens Politik bestimmen solle. "In diesem Saal sollen Schwedens Gesetze gemacht werden - nicht in Ankara", sagte sie. "Ich verteidige Schwedens Recht, über seine eigene Innen- und Außenpolitik zu bestimmen."

Erdoğan könnte der Vorgang politisch in die Karten spielen: Sein Veto gegen die Nato-Anträge Finnlands und Schwedens hatte er damit begründet, dass die Länder "Terrororganisationen" wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützten. Die Türkei blockiert derzeit als einziges Nato-Mitglied öffentlich den Beginn des Aufnahmeprozesses der beiden nordischen Länder in das Verteidigungsbündnis.

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