Süddeutsche Zeitung

Saudi-Arabien:Das Schweigen ist schändlich

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Der Fall des verschwundenen Jamal Khashoggi ist unaufgeklärt. Unabhängig davon ist bekannt, wie brutal Kronprinz bin Salman jede Kritik unterdrückt. Europa muss etwas tun.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Mit jedem Tag, den Jamal Khashoggi verschwunden bleibt, schwindet die Hoffnung, dass der saudi-arabische Journalist noch lebt. Mit jedem Tag verdichten sich die Verdachtsmomente, dass er im Generalkonsulat des Königreichs in Istanbul ermordet wurde, wie die türkischen Behörden behaupten. Wenn sich bewahrheitet, was bisher nur Vermutung ist, dann wird das schwerwiegende Folgen für die gesamte arabische, ja muslimische Welt haben, für die Strahlkraft des Landes der heiligen Stätten von Mekka und Medina, für das geopolitische Kräfteverhältnis der rivalisierenden Mächte, für die Beziehungen westlicher Staaten mit Saudi-Arabien. Wenn das Königreich einen politischen Mord in Auftrag gegeben hat, darf das nicht ohne Folgen bleiben.

Khashoggi ist der prominenteste Kritiker des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, aber kein Umstürzler. Seine Kritik ist nuanciert, er begrüßte die soziale Öffnung, tadelte die Wirtschaftsreformen als unrealistisch, beklagte das Fehlen einer politischen Beteiligung der 20 Millionen Bürger. Sein Schicksal muss nun den Blick auch auf Hunderte andere saudi-arabische Dissidenten lenken, die keine mächtigen Freunde haben. Manche von ihnen wurden im Ausland geschnappt und gegen ihren Willen nach Saudi-Arabien zurückgebracht. Vielen von ihnen stehen lange Haftstrafen bevor, manchen droht gar die Hinrichtung. Das war wohl auch der Plan für Khashoggi.

Es ist Zeit, dass europäische Staaten, und nicht zuletzt Deutschland, ihr Schweigen beenden angesichts der massiven politischen Unterdrückung, die der Kronprinz gegen jegliche Kritiker organisiert. Es ist peinlich, wie die Wertegemeinschaft Europa Kanada alleine gelassen hat, als die ganze Wut des Königssohns das Land traf wegen eines kritischen Tweets von Außenministerin Chrystia Freeland. Dieser war zwar vielleicht undiplomatisch und taktisch unklug, inhaltlich aber berechtigt. Und jedenfalls kein Grund, die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen abzubrechen. Wer solch erpresserisches Verhalten wortlos hinnimmt, bestärkt den Kronprinzen nur in seinem brachialen Vorgehen.

Auf die USA können die Europäer nur bedingt zählen: Präsident Trump fürchtet um Milliardengeschäfte mit "schönen Waffen". Die Königsfamilie hat ihn schon als Geschäftsmann rausgehauen, wenn er Geld brauchte. Er hat die gesamte Nahost-Politik der USA aufs engste mit Riads Interessen verknüpft, sein Schwerttanz im vergangenen Jahr mit dem König war das sichtbare Zeichen. MbS, wie der Kronprinz genannt wird, soll ihm den Jahrhundert-Deal liefern: Frieden in Nahost. Gemeinsam wollen sie Iran zurückdrängen. Dem ist alles untergeordnet. So ignoriert man den Bombenkrieg in Jemen. Immerhin, bei den Republikanern im Kongress wächst der Widerstand.

Mohammed bin Salman verkörpert den Leitsatz des Absolutismus: "L'état c'est moi!" Doch auch für Saudi-Arabien und den Kronprinzen gilt die Unschuldsvermutung. Aber man muss nicht lange fragen, wo die Verantwortung liegt, falls sich die Vorwürfe der türkischen Behörden weiter erhärten. Die Glaubwürdigkeit des Kronprinzen ist schon schwer beschädigt. Es liegt in seinem Interesse und seiner Hand, die Vorwürfe schnell und schlüssig zu widerlegen. Sonst wird auch sein Land ernsten Schaden nehmen.

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SZ vom 13.10.2018
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