Süddeutsche Zeitung

Sachsen: NPD und Linke:Ungeliebte Nachbarn

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Im Dresdner Landtag wollen Linke und NPD nicht auf einem Flur nebeneinander arbeiten - mittlerweile befasst sich das Landeskriminalamt mit dem bizarren Streit.

Christiane Kohl

Raum ist in der kleinsten Hütte, wie es so schön heißt - nur im Dresdner Landtag nicht. Zwar stehen den Fraktionen in dem Gebäude 257 Zimmer zur Verfügung, doch über deren Verteilung ist ein bizarrer Streit ausgebrochen: Nach einem Beschluss des Landtagspräsidiums sollen die Abgeordneten von Linkspartei und NPD auf einem Flur zusammenziehen. Beide Fraktionen wehren sich dagegen, und so ist mittlerweile das sächsische Verfassungsgericht mit dem Streit befasst, der Datenschutzbeauftragte und das Landeskriminalamt (LKA).

Die Polizisten stellten in einer "Gefährdungsanalyse" klar, dass es zu erheblichen Sicherheitsrisiken führen könne, wenn Linke und Rechte so dicht beieinander säßen. Nicht, dass man fürchtet, die Parlamentarier würden aufeinander losgehen. Doch wäre es den Sympathisanten der beiden Parteien zuzutrauen, dass sie tätlich gegeneinander würden. Deshalb empfahl das LKA Baumaßnahmen wie Sicherheitsschleusen, gepanzerte Türen und ein erweitertes Videoüberwachungssystem.

Dagegen trat der Datenschutzbeauftragte auf den Plan: Die empfohlene Videoüberwachung sei datenschutzrechtlich nicht zulässig. Auch Landtagspräsident Matthias Rößler kritisiert: "Wenn man anfinge, das Parlament zu verbarrikadieren, würde man der Demokratie einen Bärendienst erweisen." So ist durch die Raumdiskussion eine politische Grundsatzfrage aufgeworfen worden, die mit einem harmlosen Beschluss begonnen hatte.

"Das versteht doch kein Mensch"

Seit der Landtagswahl im August stehen der FDP mehr Räume zu, SPD und Linke mussten Zimmer abgeben. Im zweiten Stock des Landtags, wo FDP, SPD und Grüne bis dato die Abgeordneten der NPD hatten dulden müssen, sahen die Fraktionen der Mitte ihre Chance, die Rechten loszuwerden. Die CDU, die in der dritten Etage residiert, hatte nichts dagegen. So beschloss das Landtagspräsidium, die NPD zur Linkspartei ins vierte Stockwerk zu verbannen.

Daraufhin riefen die Linken das Verfassungsgericht an. Es sei ihnen nicht zuzumuten, Rechtsextreme als Zimmernachbarn zu bekommen, argumentierten sie. Zwar lehnten die Verfassungsrichter eine einstweilige Verfügung ab, doch seit das LKA-Gutachten bekannt geworden ist, rechnen sich die Linken neue Chancen aus. Dies schon aus Kostengründen: Die geforderten Baumaßnahmen werden auf etwa 55.000 Euro geschätzt, hinzu kämen Aufwendungen für vermehrte Sicherheitskontrollen, die sich auf einen sechsstelligen Betrag summieren könnten.

"Das versteht doch kein Mensch", sagt Landtagspräsident Rößler. Er will durch eine verschärfte Hausordnung auf ein friedliches Miteinander der Parlamentarier pochen. Die Raumverteilung könnten nur Fraktionen selbst ändern - vorausgesetzt, sie einigen sich.

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Quelle:
SZ vom 16.01.2010
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