Süddeutsche Zeitung

Russland:Spot an, Licht aus

Lesezeit: 2 min

Der ukrainische Regisseur Oleg Senzow stammt von der Krim. Dort engagierte er sich gegen die russische Besetzung. Nun steht er in Moskau vor Gericht - unter Terrorverdacht. Seine einzige Hoffnung ist ein Gefangenenaustausch.

Von Frank Nienhuysen, München

Die Kamera ist diesmal auf den Filmemacher gerichtet, und sie zeigt ihn in einem russischen Gerichtssaal, in einem gläsernen Kabuff. Oleg Senzow, Ukrainer, helles T-Shirt, kurze dunkle Haare, würde wohl eine Menge dafür geben, wenn dies Dreharbeiten wären. Aber es ist sein Prozess, an diesem Montag ist die nächste Anhörung, und die Vorwürfe gegen ihn wiegen schwer: Mehrere Anschläge, Planung weiterer Terrorangriffe, Gründung einer regionalen Zelle der paramilitärischen, rechtsnationalistischen ukrainischen Organisation Rechter Sektor. All dies könnte zu einer Haftstrafe von 20 Jahren führen. Senzow selber sagte, er glaube, dass es dazu auch kommt. Für unschuldig hält er sich trotzdem.

Senzow ist 39 Jahre alt, geboren in der Krim-Hauptstadt Simferopol. Er studierte Drehbuch und Filmregie in Moskau, vor drei Jahren hatte er einen ersten Erfolg, als er mit seinem Spielfilm "Gamer" beim internationalen Filmfest in Rotterdam debütierte. Der Regisseur arbeitete gerade an seinem zweiten Film, als in der Ukraine die Proteste begannen. Senzow engagierte sich in Kiew in der Maidan-Bewegung, reiste dann auf die Krim, als dort die Annexion begann. Er brachte ukrainischen Soldaten, deren Kasernen blockiert waren, Lebensmittel. Und er weigerte sich, die Krim als Teil Russlands anzuerkennen und seine ukrainische Staatsbürgerschaft gegen die russische einzutauschen.

Senzow und sein Anwalt Dmitrij Dinze behaupten, seine Verhaftung sei eine Entführung gewesen und der Prozess ein Racheakt für seinen Widerstand. Die russischen Ermittler dagegen behaupten, er habe gemeinsam mit anderen Beschuldigten unter anderem im April 2014 in mehreren Krim-Städten Brandanschläge auf Büros der russischen Regierungspartei Einiges Russland verübt, Senzow und seine Mittäter sollen auch geplant haben, ein Lenin-Denkmal und ein weiteres Monument in die Luft zu sprengen. Nach Angaben von Senzows Anwalt beruht die Anklage wesentlich auf die Aussagen zweier Zeugen, die bereits verurteilt wurden. Sonst gebe es keine Indizien gegen ihn. Die russische Zeitung Nowoje Wremja berichtet, der Rechte Sektor habe zudem früh dementiert, dass er irgendeine Verbindung zu dem ukrainischen Regisseur gehabt hätte.

Ist Senzow, der vielversprechende Filmregisseur, nun ein Terrorist oder Opfer eines politischen Konflikts? Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bezeichnete ihn als einen politischen Gefangenen, forderte seine sofortige Freilassung und bat in Telefongesprächen Angela Merkel, François Hollande und Wladimir Putin, ihn dabei zu unterstützen. Auf Senzows Seite schlug sich die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, und auch eine Reihe namhafter Regisseure: Wim Wenders rief ebenso zu Senzows Freilassung auf wie Pedro Almodóvar und Ken Loach. Sogar Russlands bekanntester Regisseur Nikita Michalkow, ein großer Anhänger Putins, bat den Kremlchef um Hilfe. Das war allerdings schon im vergangenen Sommer.

Gegen die Wahrscheinlichkeit eines Freispruchs spricht die extrem hohe Quote von Schuldsprüchen in Russland, weshalb Senzows Anwalt Dinze keine Illusionen hat, sondern vor allem eine Hoffnung: dass sein Mandant am Ende ausgetauscht wird gegen einen russischen Gefangenen in der Ukraine.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2582741
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.07.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.