Süddeutsche Zeitung

Russland:Eine Stadt namens Putin

Lesezeit: 1 min

Von Frank Nienhuysen, München

Die Wirtschaftskrise in Russland hat zunehmend Folgen für Staat und Gesellschaft. Die Mehrheit der russischen Regionen zeige sich entschlossen, die Zahl der Staatsbediensteten um fünf bis zwanzig Prozent zu verringern, berichtete die Zeitung Kommersant.

In anderen Regionen wiederum sollten zwar keine Angestellten entlassen, dafür aber die Ausgaben gekürzt werden. Im Gebiet Leningrad etwa kündigte der Gouverneur Alexander Drosdenko an, den staatlichen Fuhrpark für Beamte um ein Viertel zu verkleinern.

Abgeordnete sprechen über freiwilligen Gehaltsverzicht

Erst vor wenigen Tagen hatte der Duma-Vorsitzende Sergej Naryschkin den Fraktionen empfohlen, mit ihren Abgeordneten über einen freiwilligen Gehaltsverzicht zu reden. Während die stramm patriotische Liberaldemokratische Partei sich sogar bereit erklärte, auf 30 bis 35 Prozent zu verzichten falls nötig, zeigte sich die Regierungspartei Einiges Russland vorsichtiger. Sie wies auf die gestiegenen Preise und geringen Renten von Familienangehörigen hin, die zum Überleben kaum ausreichten.

Der Verfall der Energiepreise und die Auswirkungen der EU-Sanktionen haben die russische Wirtschaft schwer getroffen. Das Finanzministerium erwartet nach einem Bericht von Interfax für das laufende Jahr ein Haushaltsdefizit von mehr als drei Prozent. Zusätzlich zu den ohnehin geplanten Budgetkürzungen von zehn Prozent müssten in diesem Jahr noch weitere 8,5 Milliarden Euro an Ausgaben eingespart werden, erklärte das Ministerium.

Zustimmung für Putin wächst dennoch

Trotz der Wirtschaftslage sind die Zustimmungswerte für Präsident Wladimir Putin im Februar um einen weiteren Punkt auf 86 Prozent gestiegen, wie das Lewada-Institut am Donnerstag bekannt gab. Großen Einfluss dürften dabei die staatlichen Fernsehsender haben, denn bezeichnenderweise schneidet Ksenia Sobtschak, einst unverzichtbarer Fernseh-Liebling der Nation, in derselben Umfrage mit neun Prozent sehr schlecht ab. Gegen die Regierungskritikerin hatte das staatliche Fernsehen kürzlich eine Kampagne gestartet.

Am Ural wollen sich Aktivisten in der Stadt Krasnokamsk nun das Rating des Präsidenten zunutze machen - und die Stadt per Petition in "Putin" umbenennen lassen. Die Aktion ist allerdings nicht nur Ausdruck von Loyalität, sondern auch von Verzweiflung. Mit einem solchen Namen hoffen sie, dass es endlich sauberes Trinkwasser, ordentliche Straßen und Kindergärten gebe.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2369039
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.02.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.