Süddeutsche Zeitung

Rumänien:Reformziel Straffreiheit

Lesezeit: 2 min

Rumäniens Regierung um den mächtigen Parteichef Liviu Dragnea will die Arbeit der Justiz aushöhlen.

Von Florian Hassel, Warschau

Es war ein folgenreiches Urteil des Obersten Gerichts Rumäniens. Am 15. Mai 2015 verurteilten die Richter den einflussreichen Politiker der Postkommunisten (PSD), Liviu Dragnea, wegen massiver Wahlfälschung zu drei Jahren Haft auf Bewährung. Heute ist Dragnea PSD-Parteichef, Parlamentspräsident und Rumäniens mit Abstand mächtigster Politiker. Nur Ministerpräsident darf er nicht werden: Denn ein Gesetz verbietet die Übernahme hoher Regierungsämter durch rechtskräftig verurteilte Straftäter. Das aber könnte sich bald ändern.

Dragnea, dessen PSD im Parlament über die absolute Mehrheit verfügt, hat Änderungen zum Strafrecht entwerfen lassen: Treten diese in Kraft, kann jedes Gerichtsurteil - auch rückwirkend - aufgehoben werden, das gesamte Verfahren muss neu aufgerollt werden, wenn die Urteilsbegründung nicht von allen beteiligten Richtern unterschrieben wurde. Beim Urteil gegen Dragnea etwa gingen einige Richter zwischenzeitlich in Rente und konnten die Begründung nicht mehr unterschreiben.

Korruptionsfälle bis zu 200 000 Euro sollen straffrei bleiben

Es ist nur eine von zahlreichen Änderungen, mit denen Dragnea und die regierende Koalition die Arbeit von Gerichten und Staatsanwaltschaften und die Anti-Korruptionsbehörde so aushöhlen wollen, dass eine effiziente Strafverfolgung im notorisch korrupten Rumänien nicht mehr möglich wäre. Eine Auswahl beschlossener oder vorgelegter Änderungen: Amtsmissbrauch und Korruption unterhalb einer Größenordnung von 200 000 Euro blieben straffrei. Das Gleiche soll selbst für millionenschwere Steuerhinterziehung gelten, wenn der Angeklagte der Staatskasse die Schadenssumme mit einem Aufschlag von 50 Prozent bezahlt. Selbst schwerer Verbrechen Verdächtige müssen über sonst verdeckte Ermittlungen gegen sie informiert werden. Verdächtige sollen an jedem Verhör von Zeugen oder ihrer Opfer teilnehmen dürfen.

Die Bekräftigung der Unabhängigkeit von Staatsanwälten soll aus rumänischen Gesetzen gestrichen werden und es soll eine Untersuchungsabteilung für "Missetaten in der Justiz" entstehen: Richter und Staatsanwälte sollen für angeblichen "Missbrauch der Justiz" mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft werden können. Zufällig gefundenes elektronisches Belastungsmaterial muss vernichtet werden. Und wer das Pech hat, trotz derlei Bestimmungen immer noch rechtskräftig zu Gefängnis verurteilt zu werden, soll Haftstrafen bis zu fünf Jahren auch zu Hause oder am Wochenende verbüßen können.

Rumäniens Regierende haben guten Grund zu solchen Änderungen. PSD-Chef Dragnea ist von der Anti-Korruptionsbehörde (DNA) in zwei weiteren Verfahren angeklagt, darunter wegen des Verdachts auf millionenschweren Betrug. Sein Koalitionspartner Călin Popescu-Tăriceanu, seines Zeichens ehemaliger Ministerpräsident, soll der DNA zufolge in einer Korruptionsaffäre mit einem Schaden von 145 Millionen Euro für den Staat einen Meineid geleistet haben. Die ehemalige PSD-Parteigröße Viorel Hrebenciuc wurde am 9. Mai unter anderem wegen Geldwäsche zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Etliche Änderungen wurden Ende Dezember 2017 in drei Gesetzesänderungen beschlossen, weitere kamen seitdem hinzu. Präsident Klaus Johannis hat die für rechtsstaatliche Expertisen zuständige Venedig-Kommission des Europarates angerufen. Zudem hat er gegen die umstrittenen Gesetze Beschwerde beim Verfassungsgericht eingelegt. Dessen Unabhängigkeit aber steht in Zweifel, seit die PSD 2016 ihren vorherigen Spitzenpolitiker Valer Dorneanu zum Verfassungsgerichtspräsidenten machte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3979620
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.05.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.