Süddeutsche Zeitung

LNG-Terminal:Geld soll den Widerstand auf Rügen brechen

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Das geplante Flüssigerdgas-Terminal auf der Ferieninsel könnte dem Tourismus schaden. Zur "Akzeptanzsteigerung des Projekts" will Mecklenburg-Vorpommern nun beim Bund Millionen lockermachen.

Von Michael Bauchmüller

Der Landesregierung in Schwerin muss schwanen, dass es nicht einfach wird mit dem Flüssigerdgas-Terminal auf Rügen. Vorige Woche melden sich die Landesminister für Wirtschaft und für Umwelt, Reinhard Meyer und Till Backhaus (beide SPD), beim grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Für ein solches Projekt, schreiben die beiden, "benötigt Politik den Rückhalt durch die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Gemeinden vor Ort". Das funktioniere nur mit begleitenden Maßnahmen, "die einen konkreten Mehrwert für die Region beinhalten".

Die Region ist im Aufruhr, seit Monaten schon. Erst sollte ein solches Gas-Terminal vor der Küste entstehen, in Sichtweite einiger Ferienstrände. Nun soll es auf der Insel entstehen, im Hafen Mukran, gleich neben Sassnitz. Und weil das Flüssigerdgas, kurz LNG, auch russisches Gas ersetzen und so eine Energiekrise abwenden soll, hat das Bundeskabinett kürzlich eine Novelle des "LNG-Beschleunigungsgesetzes" verabschiedet. Auch die Genehmigungen für die Gasanlagen in und um Mukran sollen sich damit im Eilverfahren genehmigen lassen. Bürgerinitiativen haben sich gebildet, Bürgermeister und Gemeinderäte rebellieren.

In der Nähe liegt der Nationalpark Jasmund

Die Landesregierung will das Problem mit knapp einer Milliarde Euro umschiffen, aus Mitteln des Bundes. Das jedenfalls legen die Ideen nahe, die Schwerin nun zusammengetragen hat, in einem sechsseitigen Papier mit dem Titel "Zukunftsfestes Rügen". Danach soll der Hafen in Mukran insgesamt weiter ausgebaut werden, auch für die knapp 300 Meter langen Panamax-Containerschiffe. Flächen und Straßen sollen so ausgebaut werden, dass sich dort auch die Einzelteile von Offshore-Windparks verschiffen lassen.

Im Hinterland sollen neue Gleise für Industriegebiete entstehen und auch ein sogenannter Elektrolyseur, der aus Strom Wasserstoff herstellt und damit Industrie und auch Schiffe versorgen könnte. Für den Fall der Fälle soll es auch ein neues Schiff für die "Havariebekämpfung" geben. "Insbesondere der Naturhaushalt der Küste Mecklenburg-Vorpommerns wird durch das LNG-Vorhaben voraussichtlich beeinträchtigt und belastet", räumt das Papier ein.

Wohl wahr: Nicht weit von Mukran liegt der Nationalpark Jasmund, die Natur gilt als Kapital der Insel. Es drohe "eine ungebremste Industrialisierung der einmaligen Küstenlandschaft", warnt Sascha Müller-Kraenner, Chef der Deutschen Umwelthilfe. Das Schweriner Papier kontert mit Forderungen, um die "Beeinträchtigung des Herings" auszugleichen, und es verlangt fünf Millionen Euro für ein Forschungsvorhaben "zu den Auswirkungen von Dauerschall auf die Schweinswalpopulationen in der deutschen Ostsee". Schweinswale sind extrem geräuschempfindlich - und die schwimmenden LNG-Terminals sind laut; wie auch die Schiffe, die das verflüssigte Gas heranschaffen.

Der Lärm ist es auch, der die anliegenden Strand-Gemeinden ängstigt. Schließlich gilt die Insel gemeinhin als ruhiges Plätzchen. Das hat sich schon geändert, seit Gaslieferungen per Schiff den Festlandhafen von Lubmin bei Greifswald ansteuern. Das dortige Terminal soll ebenfalls nach Mukran verlegt werden. Die renitente Inselbevölkerung sollen derweil Millionen Euro für den Tourismus besänftigen. Zehn Millionen etwa für den Ausbau der touristischen Infrastruktur in den umliegenden Gemeinden, dazu drei Millionen für anderthalb Kilometer Radweg bei Mukran. Allein 620 Millionen Euro soll der Bund für den Ausbau von Bahnstrecken lockermachen. Aber die sind entweder sowieso längst in Planung, oder sie sind gar nicht auf Rügen. Die Landesregierung zieht alle Register.

Bei den Gegnern auf Rügen beißt sie damit allerdings auf Granit. "Wir lassen uns die Insel nicht kaputtmachen", sagt Karsten Schneider, der Bürgermeister des Ostseebads Binz. Offenbar sei die Landesregierung bereit, das Tafelsilber der Insel zu verscherbeln, ihre Natur. Schneider sagt: "Wir sind nicht käuflich."

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