Süddeutsche Zeitung

Rote Armee Fraktion:Bundestagsabgeordneter beschäftigt Ex-RAF-Terroristen

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Wegen neunfachen Mordes saß Christian Klar 26 Jahre im Gefängnis. Heute arbeitet er als Web-Designer für einen Linken-Politiker. Darf so ein Mann Zugang zum Parlament bekommen?

Von Renate Meinhof, Berlin

Auf dem Anrufbeantworter im Büro des Bundestagsabgeordneten Diether Dehm von der Linkspartei sind am Freitag um 12.30 Uhr schon zwölf Interview-Anfragen. Dehm soll doch bitte sagen, warum er den ehemaligen Terroristen Christian Klar bei sich beschäftigt. Dehm aber gibt kein Interview, sondern veröffentlicht eine Erklärung auf seiner Website, jener Website, die Klar seit Jahren betreut. Der habe "26 Jahre im Zuchthaus gesessen und sich nach seiner Haftentlassung nicht das Geringste zu Schulden kommen lassen (. . .) Ein Berufsverbot wäre mit der Chance zur Resozialisierung völlig unvereinbar. Christian Klar macht als Selbständiger für einen sehr geringen monatlichen Geldbetrag seit einigen Jahren zu meiner vollen Zufriedenheit technisches Web-Design - ohne jeglichen Einfluss auf Inhalte."

Ein Hausausweis für den Deutschen Bundestag wurde Klar jedoch verweigert, es gebe "Sicherheitsbedenken". Der Ältestenrat beschäftigt sich nun mit dem Fall. Darf ein Mann, der wegen neunfachen Mordes und elffachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, der nie öffentlich Reue oder ein Unrechtsbewusstsein gezeigt hat, Zugang zum Parlament haben? Für Dehm keine Frage.

2008 kam Klar frei - als einer der Letzten der zweiten RAF-Generation

Christian Klar, 1952 in Freiburg geboren, gehört zur sogenannten zweiten Generation der RAF - genauso wie Peter Jürgen Boock, Susanne Albrecht, Adelheid Schulz oder Silke Maier-Witt. "Baader-Meinhofs Kinder", so nennt der Politikwissenschaftler Tobias Wunschik in seinem gleichnamigen Buch jene Linksterroristen, die die Bundesrepublik vor allem mit der Mordserie des Jahres 1977 in Angst versetzte.

Dutzende wurden Opfer, auch Generalbundesanwalt Siegfried Buback, der Chef der Dresdner-Bank Jürgen Ponto und Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Während einige der Täter der zweiten RAF-Generation in der DDR untertauchten, blieb Klar als einer der Letzten bis 2008 in Haft. Dann kam er frei. Gutachter hatten dem Gericht bestätigt, dass weder physisch noch psychisch Gefahr von ihm ausgehe.

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Quelle:
SZ vom 20.02.2016
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