Süddeutsche Zeitung

Reparationen:Mehr Versöhnung wagen

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Die griechische Regierung verlangt von Deutschland, sie für die Gräuel der Nazis zu entschädigen. Sie verknüpft ihre Forderung mit dem Streit um die Schuldenpolitik des Landes. Das ist unzulässig. Trotzdem sollte sich Deutschland versöhnlich zeigen.

Von Joachim Käppner

Als die Deutschen das erste Mal kamen, brachten sie viel guten Willen, Verwaltungsexperten, blaue Prachtuniformen und klassisch gebildete Baumeister mit. Das war 1832, als der Philhellene Otto aus Bayern König von Griechenland wurde. Er hinterließ, als man ihn 1862 davonjagte, einen Hauch von Wehmut über das gescheiterte Experiment, deutschen Ordnungssinn und griechische Freiheitsliebe zu vereinen. Beim zweiten Mal, 1941, brachten die Deutschen Exekutionskommandos, Rassenfanatiker und Fachpersonal für das Ausplündern anderer Staaten mit, sie hinterließen verbrannte Dörfer, Hunderttausende Tote, ein zerrüttetes Land.

Gewiss, Deutschland hat durch ein "Globalabkommen" von 1960 an Griechenland gezahlt beziehungsweise an Opfer des NS-Unrechts, 115 Millionen Mark. Das war damals viel Geld - und doch, gemessen am Ausmaß dessen, was die deutsche Besatzungsmacht dort angerichtet hatte, ziemlich wenig.

Die völkerrechtliche Entwicklung bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 hat es der Bundesrepublik erspart, sich dem Reparationsthema noch einmal stellen zu müssen - dies war einem Friedensvertrag vorbehalten, zu dem es aber nie kam. Vielleicht mit Ausnahme jenes Zwangskredits, den die Nazis Griechenland abpressten und für den Athen Kompensation verlangt, ist die Bundesrepublik juristisch auf der sicheren Seite, wenn sie die Reparationsfrage für abgeschlossen erklärt. Moralisch ist das eine andere Frage.

Überheblichkeit weckt Emotionen aus der Besatzungszeit

Natürlich muss man die Schrecken der Vergangenheit trennen von der griechischen Finanzkrise heute. Ohne Zweifel ist es problematisch bis nervtötend, mit einer populistischen Regierung zu verhandeln, die so tut, als seien Verschwörungstheorien und das Verschwenden des Geldes anderer Leute eine linke Politikvision.

Dennoch könnte der deutschen Seite angesichts der griechischen Forderungen nach Entschädigungen für die Verbrechen der Nazizeit mehr Empathie nicht schaden. Die überhebliche Art, die Griechen wie irregeleitete jugendliche Delinquenten zu behandeln, muss in Hellas zwangsläufig jene aus der Besatzungszeit herrührenden Emotionen wecken, über welche man hierzulande dann wieder den Kopf schüttelt.

Eine Stiftung würde viel Gift aus der Schulddebatte nehmen

Wenn jetzt deutsche Politiker über Entschädigungen für griechische NS-Opfer nachdenken, zeichnet sich glücklicherweise ein Umdenken ab. Erkennbar reichen Projekte wie das eines deutsch-griechischen Jugendaustausches nicht aus. Die 115 Millionen Mark von einst kamen nur einem Bruchteil der Opfer zugute. Natürlich wäre es absurd, der Regierung in Athen jene fantastischen Milliardensummen zu überweisen, die in Griechenland kursieren. Es gilt ohnehin, das Thema vom Streit um den Euro zu trennen.

Stattdessen wäre an eine freiwillige Stiftung zu denken, ähnlich wie jene namens "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", welche 2003 zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter des NS-Sklavensystems entstand. Dort zahlten viele Firmen ein, hier wäre es der deutsche Staat. Auch mit Polen und Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurden nach 1990 derlei Modelle geschaffen.

Eine solche Stiftung müsste finanziell so ausgestattet sein, dass sie berechtigte Ansprüche auch erfüllen kann. Freilich geht es hier mindestens so sehr um Symbolik wie ums Geld: Die Anerkennung, dass einem Volk, einem Land furchtbares Unrecht geschehen ist. Entschuldigungen wie jene, die Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem jüngsten Griechenlandbesuch äußerte, sind zwar aller Ehren wert. Eine Stiftung aber würde weit mehr Versöhnung wagen - und sehr viel Gift aus der Debatte um "Grexit", Euro und Stinkefinger nehmen.

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SZ vom 18.03.2015
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