Süddeutsche Zeitung

Gemeinsame Regierungsarbeit:Wie sich CDU und Linke in Thüringen vorsichtig annähern

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Von Ulrike Nimz, Leipzig

Es war ein recht ungewöhnliches Abendessen, das da am Sonntag in Erfurt stattfand: Auf Einladung von Alt-Bundespräsident Joachim Gauck kamen Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und CDU-Landeschef Mike Mohring an einen gedeckten Tisch, um über die vertrackte politische Lage nach der Landtagswahl zu beraten - und mögliche Lösungen. Den Nachschlag gab es auf Twitter: Man habe über "projektorientierte Regierungsarbeit" gesprochen, ließ Ramelow über den Kurznachrichtendienst wissen, in einem "offenen Gedankenaustausch über Demokratiefragen". Mohring schrieb: "Ich fände es richtig, wenn der Ministerpräsident zu Gesprächen über wichtige Projekte einlädt, die für Thüringen wichtig sind."

Dass sich Linke und CDU trotz aller Ausschlussrituale seitens der Union doch noch näherkommen könnten, hatte sich bereits vergangene Woche abgezeichnet, als der frühere Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) das Schlagwort "Projektregierung" in die Welt setzte und Gauck als Vermittler vorschlug. Die Idee: Linke und Union vereinbaren künftig gemeinsame Projekte, ohne formal eine Koalition zu bilden. Ministerposten könnten dann durch Fachleute statt Parteipolitiker besetzt werden.

Grüne und SPD reagierten verschnupft auf den Vorstoß, von einem völlig verfehlten Zeitpunkt war die Rede. Schließlich ist das mehr als 40-seitige "Zukunftsprogramm", das Linke, SPD und Grüne in den vergangenen Monaten erarbeitet haben, unterschriftsreif. Ramelow, der sich Anfang Februar zum Regierungschef wählen lassen will, betonte, dass zusammen dinieren noch nicht gemeinsam regieren heißt: Basis für Projekte mit der Union sei eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung.

Mitte der Woche will die Union klären, wo sie steht. Manche warnen vor einem Tabubruch

An diesem Montag kamen Linke, SPD und Grüne erstmals offiziell mit CDU und FDP zusammen, um in großer Runde auszuloten, wie das künftig klappen kann mit den Mehrheiten im Thüringer Landtag. Rot-Rot-Grün kommt nur auf 42 von 90 Sitzen - vier Stimmen zu wenig. Mohring erklärte sich zu weiterem Austausch mit Ramelow bereit und kündigte an, eine Ideenliste für künftige Projekte vorzulegen. Man habe bei wichtigen Themen "unvoreingenommene Prüfung" und Gesprächsoffenheit zugesichert und "dass dort Mehrheiten gesichert werden, wo Themen notwendig sind, weil sie das Land voranbringen", sagte Mohring nach dem Treffen. Zugleich betonte er, dass seine Partei angetreten sei, "um Rot-Rot-Grün als großes ideologisches Projekt zu beenden". Man wolle stattdessen ein "Thüringer Modell" entwickeln.

Mitte der Woche will die Union in einer Klausur klären, ob eine derartige Zusammenarbeit in den eigenen Reihen mehrheitsfähig ist. Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, warnte die Thüringer CDU vor einer Kooperation. "Eine wie auch immer genannte Zusammenarbeit der CDU mit der Linken in Thüringen wäre ein schwerer Tabubruch, egal mit welchen komischen Begriffen das bemäntelt wird", sagte Steiger der Bild. Auch die CDU-Bundesspitze besteht in der Debatte auf dem geltenden Unvereinbarkeitsbeschluss.

Die Linke hingegen unterstützt die Idee der Thüringer Parteikollegen, auch mithilfe der CDU im Freistaat zu regieren. Sie stehe komplett hinter diesem Ansatz, sagte Parteichefin Katja Kipping am Montag in Berlin. "Wenn dann die CDU eine solche Minderheitsregierung an einzelnen Projekten konstruktiv unterstützen will, ist das herzlich willkommen."

Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) zeigte sich im Anschluss an das Treffen enttäuscht. Die Frage, wie Verantwortung für das Land übernommen werden könne, sei von CDU und FDP "hinreichend unkonkret" beantwortet worden. "Wir suchen natürlich nach Unterstützung bei CDU und FDP. Aber dann muss man irgendwann mal sagen, wie diese Zusammenarbeit aussehen soll."

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SZ vom 14.01.2020
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