Süddeutsche Zeitung

Rechtspopulismus in Europa:Junge Radikale

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"Europa gehört den Europäern": Das fordert der Nachwuchs der Schwedendemokraten und verbündet sich mit FPÖ und Front National. Das gefällt Parteichef Åkesson nicht: Er will vor der Europawahl möglichst gemäßigt auftreten und nicht an die rassistischen Wurzeln seiner Partei erinnern.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Die Schwedendemokraten sind so etwas wie das neue Sternchen am Himmel der europäischen Rechtspopulisten. Alles spricht dafür, dass sie in diesem Jahr zum ersten Mal ins Europäische Parlament einziehen. Mit Spannung wird erwartet, welchem Bündnis von EU-Gegnern sie sich dort anschließen werden - beziehungsweise wer überhaupt mit ihnen kooperieren möchte.

Die Partei mit rassistischen Wurzeln muss erst noch ihren Platz im Spektrum der rechten Gruppen finden. Parteichef Jimmie Åkesson, dem der Wahlkampf für das verhasste Brüssel schwer fällt, will es sich offenbar mit niemandem verderben. Er hat sich zu möglichen Partnern bisher nicht klar geäußert.

Das könnte nun die Nachwuchsorganisation seiner Partei, die Sverigedemokratisk Ungdom (SDU), übernommen haben. Denn wo Åkesson bisher zögert, hat die Parteijugend Fakten geschaffen. Sie hat sich vergangenen Freitag in Wien mit den jungen Anhängern der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), des französischen Front National und des belgischen Vlaams Belang zusammengeschlossen. Ihnen allen ist gemein, dass sie gegen die Europäische Union sind, gegen Einwanderung, gegen eine multikulturelle Gesellschaft.

"Unser Ziel ist es, die europäischen Vaterländer wieder herzustellen", sagt der SDU-Vorsitzende Gustaf Kasselstrand. Die "Young European Alliance for Hope", kurz Yeah - so der Name des Bündnisses - hat sich bereits ein Manifest gegeben. "Europa gehört den Europäern", steht darin. Yeah will die EU abschaffen, Grenzkontrollen verschärfen, Einwanderung stoppen, das "Multikulti-Experiment", wie Kasselstrand es nennt, beenden. Man wolle die EU mit Hilfe von EU-Geldern von innen heraus bekämpfen, verkündet der Nachwuchspolitiker.

Das sind zwar ungefähr auch die Ziele der Mutterpartei. Die reagierte trotzdem geschockt, als sie von Yeah erfuhr. "Wir stehen da wie Fragezeichen", sagte Björn Söder, Geschäftsführer der Schwedendemokraten, der Zeitung Dagens Nyheter. Man habe nichts von den Plänen des Nachwuchses gewusst, sekundierte Parteisprecher Martin Kinnunen. "Es wäre besser gewesen, sie hätten gewartet, bis wir unsere Wahl getroffen haben."

Noch nie hatten die Schwedendemokraten einen Sitz im EU-Parlament

Diese Wahl könnte nun deutlich schwieriger werden. Bisher haben die Rechtspopulisten betont, dass ihnen von allen Parteien Europas die Dänische Volkspartei am nächsten stehe. Diese hat zwischen 2001 und 2011 mit der Regierung in Kopenhagen kooperiert und Einfluss auf deren Politik genommen. Sie konnte die dänischen Zuwanderungsgesetze verschärfen und kurzzeitig die Kontrollen an der Grenze zu Deutschland wieder einführen. Für den schwedischen Parteichef Åkesson, der seit Jahren an einem neuen, mehrheitstauglicheren Image der Schwedendemokraten arbeitet, ist sie ein Vorbild.

Deswegen hält er zu ihr engeren Kontakt als zu anderen europäischen Rechtspopulisten. Doch während die dänischen Rechtspopulisten als etabliert gelten und bei der Europawahl laut Umfragen 15 Prozent der Stimmen erhalten könnten, muss Åkesson kämpfen. Noch nie hatte seine Partei einen Sitz im EU-Parlament. Er weiß, dass ein schlechtes Abschneiden bei der Europawahl im Mai auch auf die Wahlen im September abfärben könnten, wenn Schweden eine neue Regierung sucht.

Derzeit tourt Åkesson durch Unternehmen, Krankenhäuser und Feuerwachen - so ist es für Spitzenpolitiker Tradition in Schweden. Oft ist er unwillkommen. Feuerwehrleute in Malmö wollten sich nicht mit ihm fotografieren lassen, ein Arzt in Umeå versperrte ihm den Weg in die Klinik. Die Mitarbeiter eines Krankenhauses in Skåne teilten Åkesson in einem offenen Brief mit, dass sie lieber auf den Besuch verzichten.

"Über Jahre Vertrauen entwickelt"

Und nun verhagelt die eigene Jugendorganisation ihm auch noch die internationalen Beziehungen. Die Dänische Volkspartei hat betont, dass sie sich an keiner Kooperation mit dem rechtsextremen Front National beteiligen würde. Ausgerechnet den haben sich die jungen Schwedendemokraten als Partner gesucht.

"Wir hatten Kontakt zu vielen Parteien", sagt deren Chef Kasselstrand. Man habe sich die Gruppen ausgesucht, zu denen sich über Jahre Vertrauen entwickelt habe. Außerdem habe die Mutterpartei auch Kontakt zum Front National und der FPÖ, sie würde das nur nicht öffentlich machen, so Kasselstrand.

Schwedendemokrat Kinnunen schließt eine Kooperation mit der Partei von Marine Le Pen zumindest nicht aus. Vielleicht gehe man aber auch gar keine Koalition ein. "Wir wissen heute noch nicht viel über die Gruppen in der EU", sagt er Es ist auch fraglich, ob die Schwedendemokraten die große Auswahl haben. Die Dänische Volkspartei und die ebenfalls rechtspopulistischen Basisfinnen gehören derzeit der Gruppe "Europa der Freiheit und der Demokratie" an, die von der britischen United Kingdom Independence Party dominiert wird.

Deren Vorsitzender Nigel Farage sagte dem schwedischen Svenska Dagbladet im März, er wolle nicht mit den Schwedendemokraten kooperieren. "Meine Parteifreunde haben Vorbehalte wegen ihrer Jugendorganisation - und einigen ihrer Kontakte in Europa."

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Quelle:
SZ vom 9. April 2014
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